Sternenfaust - 160 - Die Space-Oma
Immerhin hast du Hunderte von Geschichten über mich und mein Leben geschrieben.«
*
3. August 2252 (vor zwanzig Jahren)
»Komm schon«, bettelte Jane. »Es wäre nicht dasselbe ohne dich.«
Caress verzog die Mundwinkel und verdrehte die Augen.
»Ich kann dich sehen «, grinste Jane in den Bildkommunikator.
»Das sollst du auch«, erwiderte Caress und strich mit spitzen Fingern über ihre riesige Lockenpracht. »Ich war schon bei drei Hochzeiten dabei. Die vierte kann ich doch ausnahmsweise auslassen.«
»Komm schon, dein Projekt kann sicher warten!« Jane hatte nicht vor, locker zu lassen. »Soll ich etwa ohne meine Lieblingsschwester heiraten? Ich bezahle auch den Flug. Erster Klasse!«
»Na, dein Neuer muss ja ein guter Fang sein«, spöttelte Caress. »Weißt du, wie viele Credits ein Bergstromflug vom Mars bis nach London kostet?«
»Weiß ich«, kam Janes Antwort. »Und ich weiß auch, dass es einen Direkttransfer bis hin zum Londoner Raumhafen gibt. Du musst nicht einmal umsteigen.«
»Soso«, antwortete Caress. Jane erkannte, dass ihre Schwester bereits etwas ahnte.
»Und ich weiß auch, dass für dich bereits ein Flug reserviert wurde.«
»Dachte ich es mir!« Caress schüttelte leicht den Kopf. »Du bist furchtbar, Jane! Wir stehen hier kurz vor einem Durchbruch.«
»Natürlich!«, spöttelte Jane. »Etwas Geringeres würde ich von meiner genialen Schwester auch nicht erwarten.«
Caress nickte und machte ein Schmollgesicht, auf dem sich aber langsam ein Grinsen abzeichnete. »Du schuldest mir einen Nobelpreis«, sagte sie schließlich.
»Du bist die Beste«, jubelte Jane. »Ich schicke dir die Flugdaten.«
*
Gegenwart
»Und dein Name?«, fragte Jane.
»Du kennst doch meinen Namen«, kam die Antwort.
»Ich würde ihn aber gerne aus deinem Mund hören«, beharrte Jane.
»Cassandra natürlich!«
Jane nickte nachdenklich und rollte ihre Unterlippe nach innen. »Natürlich«, wiederholte sie nach einigen Sekunden. »Nun, Cassandra! Ich kenne da einen reizenden jungen Mann. Umwerfend schön, genau das Richtige für dich. Ich muss euch beide unbedingt miteinander bekannt machen. Er könnte zwar dein Sohn sein, aber das hat dich ja noch nie aufgehalten.«
Ohne zu zögern, berührte Jane mit ihrem rechten Zeigefinger das Sensorfeld ihres Armband-Koms. »Commander Wynford an Sicherheit. Notfall in meinem Quartier.«
»Sicherheit hier«, kam sofort die Antwort.
»Was tust du da?«, wollte Cassandra wissen. Sie wirkte wütend.
»Ich will dich nur mit ein paar jungen Männern bekannt machen.«
Ich bin alt und verrückt , dachte Jane. Ich sehe schon die Schlagzeilen: Die Space-Oma wurde verrückt, nachdem sie ihren Dienst auf der STERNENFAUST antrat.
Sie überlegte kurz, dann sagte sie: »Commander Wynford an Captain Mulcahy!«
»Captain Mulcahy hier!«, kam zwei Sekunden später die Antwort.
»Captain, ich habe hier etwas sehr Beunruhigendes in meinem Quartier. Die Sicherheit ist bereits verständigt.«
»Beunruhigendes?« Captain Mulcahy klang leicht irritiert.
Jane nickte und machte einen Schmollmund. Was bleibt mir anderes übrig? Dann sagte sie kurz und knapp: »Vor mir steht eine Frau. Eine Frau, die normalerweise nur in meiner Fantasie existieren dürfte!«
Darauf folgte zwei Sekunden lang Schweigen. Dann hörte Jane, wie Captain Mulcahy nüchtern sagte: »Bin unterwegs.«
»Lass mich raten«, wandte sich Jane wieder an Cassandra. »Gleich werden die Sicherheitsmänner durch diese Tür kommen, und du wirst dich in Luft auflösen. Und alle werden glauben, ich sei verrückt.«
»Nichts dergleichen wird passieren«, antwortete Cassandra. Sie wirkte verärgert.
»Nun, abwarten!«
In diesem Moment ertönte bereits der Türmelder.
»Quartier, Tür öffnen!«, befahl Jane der KKI. { * } Die Schiebetür glitt in die Wand, und drei Marines stürmten mit gezückten Nadlern in den Raum.
»Commander Wynford«, grüßte ein junger Marine. »Erbitte Statusbericht.«
»Können Sie diese Frau hier sehen?«, wollte Jane wissen und deutete auf Cassandra.
Der junge Marine runzelte die Stirn. Er schien nicht ganz verstanden zu haben. »Ma’am?«, sagte er.
Jane spürte, wie sich ihr Gesicht rötete. »Das war doch eine einfache Frage: Steht hier vor Ihnen eine schwarzhaarige Frau in einem eleganten, beigefarbenen Dinnerdress, ja oder nein?«
Noch immer sah sich der Marine verwirrt um, bis er schließlich sagte: »Natürlich, Ma’am! Natürlich sehe ich die Dame.
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