Sternenfaust - 163 - Turanors Entscheidung
Mentalspeer in Yonars Geistsphäre. Der Renegat schrie und seine Züge verzerrten sich zu einer Grimasse.
Mit zwei Schritten war Turanor heran, setzte sich auf die Brust Yonars, packte dessen Handgelenke und drückte sie auf den Boden, wobei er nicht nachließ, seinen Mentalbohrer in Yonars Hirn zu rammen. Dessen Qual übermittelte sich Turanor auf geistiger Ebene, was ihn zunehmend nervöser werden ließ: Er fügte seinem Gegner Schmerzen zu, die augenblicklich als empfundene Qual zurückflossen und ihn als empathisches Wesen zögerlich werden ließen.
Mit einem Mal erhöhte Yonar sein Schreien um eine ganze Oktave. Es war ein spitzer, markdurchdringender Schrei, der aus seiner Kehle kam und nicht enden wollte.
Turanor wurde noch zögerlicher, doch bevor er wusste, wie er mit seiner Irritation umgehen sollte, traf ihn etwas mit voller Wucht im Rücken. Es war ein so heftiger Stoß, dass Turanor über Yonar wegrollte und sich mehrmals überschlug, bevor er liegen blieb.
Sofort kehrte sich die Situation wieder um: Yonar warf sich auf ihn und nutzte die im Schreck fallen gelassenen Mentalschilde, um Turanors Geist zu malträtieren.
Der Schmerz war entsetzlich. Turanor spürte, wie er die Augen immer weiter aufriss; bald fürchtete er, dass sie ihm aus den Höhlen fallen würden.
Er schlug mit seinem Kopf hin und her und bekam dabei den Gegenstand in den Blick, der ihn im Rücken getroffen haben musste.
Trotz des unsäglichen Schmerzen starrte er nun unverwandt auf ein knollenartiges, ballgroßes Gebilde aus Kelaari, und begriff voller Entsetzen, dass es Yonar gelungen sein musste, seine telekinetischen Kräfte in einer Weise zu steigern, wie es einem Alendei sonst nicht möglich war.
Um Gegenstände mit dem Geist zu bewegen, war immer eine ganze Gruppe von Alendei nötig, da ihre Gabe der Telekinese, im Gegensatz zu den anderen Psi-Fähigkeiten, recht schwach ausgeprägt war. Ob Yonar seine telekinetischen Kräfte mit gezieltem Training vergrößert hatte, oder ob die Notsituation für diese unglaubliche Leistung verantwortlich gewesen war, konnte Turanor nicht entscheiden.
Die Schmerzen, die Yonar ihm zufügte, waren nicht auszuhalten. Turanor brachte nicht mehr die Konzentration auf, um erneut zu springen. Zugleich hielt ihn Yonar fest, sodass er nicht wegkriechen konnte.
Nur noch eine kurze Weile, und Turanors Geist würde verdampfen wie der Ozean Atalii, als Helemaiis Mond in ihn klatschte.
*
Helemaii’nu, vor über 42.000 Jahren
Publius Nakamaatis, der Furisto von Mindaan, hätte die mächtigen Flügel des Stadttors öffnen lassen, um seinem Bruder Flavius Nakamaatis entgegenzutreten. Denn dieser hatte sich, nachdem die Bedingungen durch einen Boten ausgehandelt worden waren, auf den Zweikampf eingelassen und beteuert, dass sein Heer die Waffen niederlegen und einzig der Zweikampf über den Thron Mindaans entscheiden werde.
Doch Marschall Livius Fontaan hatte darauf bestanden, das Tor geschlossen zu lassen, um die Stadt nicht zu gefährden. Denn wie der Zweikampf auch ausgehen mochte – vor der Stadt lagerte ein feindliches Heer, und ein solches sei wie eine unberechenbare Bestie, hatte Livius gesagt.
Publius zweifelte zwar nicht an der Zusage seines Bruders, doch gab er Livius rasch nach, denn er sah wohl die Angst in den Augen der Mindaaner. So trat Publius durch die im Tor eingelassene Tür, die hinter ihm sogleich wieder geschlossen wurde.
Angetan mit Helm, Brustpanzer und Beinschienen, an der Seite ein mächtiges Schwert, schritt Publius durch die von den gegnerischen Soldaten gebildete Gasse, bis er den Kampfplatz erreichte, auf dem Flavius ihn bereits erwartete. Dicht gedrängt umstanden die Krieger seines Bruders das Areal, auf dem die Zukunft Mindaans entschieden werden sollte.
Die Blicke von Flavius’ Mannen zollten dem Furisto höchste Achtung, ja, Ehrfurcht stand in ihren Gesichtern geschrieben.
»So sehen wir uns also wieder, Bruder«, sagte Publius mit fester Stimme. Flavius trug – wie er selbst – Helm, Panzerung und Schwert.
»Ich freue mich, dich zu sehen, Publius.« Aus Flavius’ Stimme sprach keinerlei Hohn. Publius zweifelte nicht daran, dass sein Bruder es ehrlich meinte.
»Und doch begehrst du den Thron, den unser Vater mir vererbte, Flavius.«
»So ist es! Doch ändert’s nichts an meiner Freude, den Bruder nach so langer Zeit wiederzusehen. Ich habe dich immer geachtet, Publius, und werde dies immer tun. Dennoch bin ich überzeugt, der bessere
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