Sternenfaust - 176 - Rendezvous mit einem Klon
Gemeinschaft, Verrat am HIVE.
Doch war er überhaupt ein Gemini? Immerhin war er keine Kopie, er war noch immer das Original. Er war Ashkono Tregarde.
Und was hatte es mit seinem Verlangen nach dem Saft auf sich? Was war es denn genau, das ihn so sehr nach dem Saft dürsten ließ? Der Geschmack? Er war in der Tat sehr gut, konnte aber nicht seine Gier erklären.
Nein – es war etwas ganz tief in ihm, das ihn antrieb. Irgendetwas, das den Schmerz in Kauf nehmen wollte, den der Saft ihm bereiten würde. Etwas, das ihn ins Leben zurückholen wollte.
Nummer Neun setzte das Glas an und goss es hinunter.
Der Schmerz in seinem Kopf ließ ihn seitwärts vom Stuhl kippen.
*
»Endlich kommen Sie zu sich, Nummer Neun!«
Es war eine weibliche Stimme. Also musste der Trior-Klon, der an seinem Bett saß, eine Frau sein. Sonstige Merkmale, die eine Geschlechtsunterscheidung erlaubt hätten, konnte Ash nicht feststellen.
Sein Kopf brummte, als ob er zwischen zwei Nerdai geraten und ordentlich in die Mangel genommen worden wäre.
Er befand sich offensichtlich in einem Krankenzimmer.
»Was ist passiert, Nummer …« Ash konnte die Nummer auf dem graublauen Overall nicht erkennen.
»Nummer 6744. Ich gehöre zum medizinischen Personal der Klinik von Clach-Kylee.«
»Lohnt es sich denn?«
»Was meinen Sie, Nummer Neun?«
»Warum werfen Sie kranke Klone nicht einfach auf den Müll und generieren eine neue Kopie?«
»Ach so, das. Nein, nein, Nummer Neun. Eine Kopie zu produzieren ist zeit- und energieaufwendig. Es lohnt sich durchaus, kleinere Wehwehchen zu kurieren.«
»Und schwerere? Wo fängt die Entsorgung an? Beinbruch, Kreislaufbeschwerden?«
»Sie sind zusammengebrochen, Nummer Neun. Vasovagale Synkope. Sie befinden sich also keineswegs in einem Zustand, der irreparabel wäre.«
»Ich bin auch kein Klon, verdammt!«, rief Ash und schwang die Beine aus dem Bett.
Als er aufrecht auf der Bettkante saß, wurde ihm schwindelig.
»Sie brauchen Ruhe, Nummer Neun. – Bitte legen Sie sich wieder hin.«
»Wie lange war ich weggetreten?«
»Ein paar Stunden«, sagte Nummer 6744 verschüchtert und bewegte sich rückwärts zur Tür. »Ich werde den zuständigen Mediziner holen und bin gleich wieder bei Ihnen.« Schon hatte sie die Tür hinter sich geschlossen.
Ash atmete tief durch. Er hatte genug. Er hatte genug von Gemini Prime.
Man hatte ihn entführt, geklont und versucht, mit einem Implantat seinen Willen zu brechen.
Ash stand auf. Er trug nur seine Unterwäsche. In einem Spind fand er seinen graublauen Overall und seine Schuhe.
Zehn Sekunden später war er angezogen.
Er verließ das Krankenzimmer und stiefelte den Gang hinunter. Die Trior-Pflegerin kam ihm mit einem Menschen-Klon entgegen, vermutlich dem Stationsarzt.
»Hören Sie mir bitte gut zu, Nummer Neun.«
Weiter kam er nicht, da Ash rücksichtslos an ihm vorbei marschierte und ihn mit der Schulter rammte.
»Das hat Konsequenzen, Nummer Neun!«, rief er hinter Ash her. »Sie schaden der Gemeinschaft!«
»Das will ich doch hoffen«, rief Ash, ohne sich umzudrehen.
Im Lift rief er via MF-Chip ein Antigrav-Taxi. Er wusste nicht, wie lange er es dauern würde, bevor man ihn aufhielt.
Er fragte sich, weshalb er nicht mehr unter der Kontrolle des HIVE stand. Es konnte nur damit zu tun haben, dass die DNA der Klone an das HIVE-Implantat angepasst wurden, während bei ihm quasi-organisches Fremdmaterial implementiert worden war. Es war denkbar, dass die Mergart-Substanzen in kürzester Zeit die künstlichen neuronalen Kaliumkanäle angegriffen und den Ionen-Haushalt des Implantats durcheinandergebracht hatten. Sauerstoff-Radikale hätten dem Implantat dann den Rest gegeben. Noch wahrscheinlicher war es, dass die Mergart-Substanzen eine Überstimulation seiner Lysosomen hervorgerufen hatten, welche das HIVE-Implantat als zellfremdes Material einstuften und zersetzten.
Doch auch wenn er die medizinischen Zusammenhänge nie erfahren würde, wichtig war nur, dass das HIVE-Implantat offenbar keine Macht mehr über ihn hatte.
Als er aus der Klinik trat, musste er nicht lange auf das Antigrav-Taxi warten. Die Sonne stand schon tief, es wurde Abend.
»Wohin, Nummer Neun?«
»Fliegen Sie einfach los. Ich sage Ihnen dann schon, wohin es geht.«
*
»Wo kriege ich eine Waffe her? Thermostrahler.«
»Wie bitte?« Der kleine Triorer hätte beinahe die Kontrolle über die Antigrav-Plattform verloren.
»Sie haben mich verstanden.«
»Ich weiß es
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