Sternenfaust - 181 - Flucht von der Erde
Anblick?
Und David war einiges gewohnt. Er hatte mit angesehen, wie seine erste große Liebe, Mara-Lena Schwartzkopf, vor seinen Augen erbärmlich verblutet war, ohne dass er ihr hatte helfen können. Er hatte gesehen, wie der Captain der SIKANDER vor seinen Augen von einer Moraxklinge in zwei Hälften geteilt worden war.
Langsam näherte er sich dem Zugang zum Korridor. Er benötigte einige Zeit, um mit seinem schweren Raumanzug durch die Öffnung zu schlüpfen, ohne an den Seiten hängenzubleiben.
Dann stand er im Korridor und sah von Weitem Private Wang.
Schnell schritt er auf ihn zu, und je weiter er lief, umso leichter fühlte sich das Gehen an. Fast so, als würde er schweben.
»Sir«, sagte Private Wang, »glauben Sie wirklich, dass das eine gute …«
»Gehen Sie mir aus dem Weg«, herrschte David ihn an, gerade so, als wäre Private Wang der Gegner, den es zu besiegen galt.
Der Marine verstummte sofort und trat zur Seite.
Und dann hatte David die Tote erreicht.
Er erkannte seine Verlobte nicht wieder, so sehr war ihr Gesicht zu einer schmerzverzerrten Fratze verzogen. Ihr blauschwarzes Haar hatte sich gelöst, ihre dunklen Augen wirkten glasig, wie die einer Puppe.
Eine Moraxklinge hatte ihren Unterleib durchtrennt.
Die gesamte Kabine war voller Blut. Die Bauchschlagader hatte es in alle Richtungen gepumpt.
David verspürte den Drang, Wyonas Hand zu nehmen. Doch welchen Sinn hatte es? Sie war tot, und er würde durch die dicken, titanverstärkten Handschuhe seines Anzugs nichts davon spüren.
Das da war nicht mehr seine Freundin. Es war eine leblose, verstümmelte Hülle.
Die Moraxklinge war mitten durch sie hindurchgegangen. Sie hatte seinen noch ungeborenen Sohn zerschmettert. Sie hatte brutal das Leben aus seiner Geliebten und zukünftigen Frau gerissen.
Und dann spürte David das Gefühl der kalten Wut. Es begann in seinem Hals, von wo aus sich der Schmerz Richtung Brust fortpflanzte. Als hätte ihn ein Giftpfeil in den Nacken getroffen, und das Gift verteilte sich nun nach und nach in seinem Körper. Es strömte durch seine Brust und arbeitete sich bis zu seinen Bauchmuskeln vor. Schließlich konnte er die Wut sogar in seinen Lenden spüren.
Das Gefühl war so übermächtig, dass er vergessen hatte, zu atmen. Hastig holte er Luft und ließ den frischen Sauerstoff in seinen Körper strömen. Es war wie ein schmerzendes Aufjapsen.
Ein Zittern schüttelte seinen Körper, und er wusste, dass ihn dieser Schmerz, der sich sogar hinter seiner Stirn durch das Gehirn zu bohren schien, so schnell nicht mehr verlassen würde. Diesen Schmerz, diesen Zorn, diesen endlosen Hass auf die Mörder seiner Frau, würde er nun mit sich tragen. Er würde sein Begleiter werden, sein Weggefährte. Sein neues Kind.
»Corporal«, sagte er nüchtern, und er spürte, wie das Zittern aus seinen Händen verschwand. »Sichern wir das Schiff. Sehen wir nach, ob es auf der Brücke Hinweise auf die Angreifer gibt.«
»Wenn es die Morax waren, sind sie vielleicht schon wieder Lichtjahre von hier entfernt«, gab Corporal Vansen zu bedenken.
David schüttelte den Kopf. »Das waren nicht nur die Morax.« Die Wut war wie eine zusätzliche Batterie, die David mit Energie versorgte. Diese Energie schärfte die Sinne und ließ sein Gehirn auf Hochtouren laufen. »Das waren die Gemini. Sie haben hier ganz in der Nähe eine Flotte versteckt. Daher die Strahlungswerte. Daher die absichtlich herbeigeführte Funk- und Ortungsstörung. Und die ELARA ist zufällig auf diese Flotte gestoßen.«
»Dann müssen wir sofort das Star Corps warnen«, sagte Private Wang.
»Wir sollten zumindest die Blackbox sichern.«
Natürlich war David klar, dass die ALDEBARAN in der gleichen Gefahr schwebte wie die ELARA.
Doch letztlich war ihm diese Gefahr in diesem Augenblick vollkommen egal.
*
30. April 2258
Orbitalwohnheim von Jason Meyer
Umlaufbahn der Erde
21.55 Uhr
Dana hatte immer nur von den sündhaft teueren Orbitalwohnheimen gehört, und sie hatte nie so ganz verstehen können, weshalb diese Orbitalheime zu den teuersten Wohnobjekten der Erde zählten. Sie hatte immer geglaubt, dass man in so einer Orbitalwohnung doch im Grunde genauso steril und eingeschränkt lebte wie auf einer Raumstation oder einem Raumschiff.
Doch nun befand sie sich in einer Orbitalwohnung, die Jason Meyer gehörte, und sie sah die Dinge ein wenig anders. Das hier war in der Tat reinster Luxus.
Vor ihr befand sich eine breite Panorama-Wand, und
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