Sternenfaust - 187 - Fanal der blauen Sonne
Mulcahy hatte der gemeinsamen Suche nach den Gyaan-Forschern im Inneren der Ruine zugestimmt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die in den Schutzanzügen integrierten Medo-Einheiten mittlerweile Antikörper gegen das Gift der Gyaan produziert hatten. Ein zweites Mal würden sie keinem Hinterhalt der Einheimischen mehr zum Opfer fallen.
Ein zwitschernder Ruf erklang vom Eingang der Ruine her. Eine Gyaan, kleiner und zierlicher als die Übrigen, lief auf sie zu. Es war Nautia.
»Sie hat einen Eponen«, sagte Taro zu Joelle. Dunkle Ringe umrandeten seine bronzefarbenen Augen. »Er ist jung, aber lebhaft und unbändig. Ihm fehlt ein Exerzitor.«
»Was ist das?«, wollte Joelle wissen.
»Sie leiten die Eponen, bevor sie ihren Reiter erwählen«, erklärte Taro. »Ohne ihn wird nie jemand auf ihnen reiten können.«
»Vielleicht liegt es auch an der Strahlung des Systems«, überlegte Joelle.
Mulcahy, der in diesem Moment zu den beiden trat, schien die Worte des Karolaners mitgehört zu haben. Er fragte: »Hat die Strahlung noch immer den gleichen Effekt auf Cyx, Taro?«
»Es wurde besser. Aber nicht derart, dass ich es grundlos wagen würde, auf ihm zu reiten.«
Die Gyaan gelangte bei ihnen an. »Wir sind bereit aufzubrechen«, zwitscherte sie.
»Warum hat es so lange gedauert?«, fragte Captain Mulcahy. »Gab es noch Unstimmigkeiten?«
Nautia sah zu ihm hoch und wedelte mit den Armtentakeln, bis ihr bewusst zu werden schien, dass der Mensch ihre Gestik nicht zu deuten wusste. »Die Alten sind misstrauisch. Mein Wort wiegt außerdem nicht viel. Ich konnte sie nur mit dem Glauben an die Götter überzeugen.«
Mulcahy nickte. Zu Joelle gewandt raunte er: »Major Mortimer wird mit ihrem Team vor der Ruine warten, um im Notfall eingreifen zu können.« Er hob die Hand und winkte den übrigen Mitgliedern, ihm zu folgen.
Gemeinsam betraten sie die dunkle, kühle Halle der Ruine und begannen ihre Nachforschungen nach den Vermissten. Bis auf wenige Gegenstände, die ein alter Gyaan namens Dyari als Utensil der Verschollenen identifizieren konnte, fanden sie jedoch keine Hinweise.
Es war zum wiederholten Male Nautia, die auf sich aufmerksam machte. Sie war zielstrebig auf eine Stelle der Halle zugegangen und rief nun: »Ich habe bereits etwas gefunden, bevor ihr hier aufgetaucht seid!« Sie winkte Joelle mit ihren Armtentakeln herbei und zeigte ihr einen vergitterten Schacht.
»Metall«, meldete sie Captain Mulcahy. »Es ist legiert.«
»Entweder waren die Vorfahren der Gyaan einst hoch entwickelt, oder es gab vor ihnen eine andere Kultur auf Fanal II.«
»Oder es handelte sich um Raumfahrer, die dieses Gebäude errichteten«, ergänzte Mary Halova die Aufzählung des Captains. »Ich favorisiere aufgrund der Wandmalereien die dritte Variante.«
»Die eingelassenen Edelsteine stellen die Sternenkonstellationen aus der Perspektive dieses Planeten dar«, erkannte Captain Mulcahy. Für einen Moment fragte sich Joelle, woher Mulcahy dies wissen wollte. Dann fiel ihr ein, dass die Sonden bei ihrer Erkundung auch die Nachtseite von Fanal II überflogen hatten und Mulcahy sich das Bild natürlich problemlos hatte einprägen können.
»Und die Zeichnungen zeigen nicht nur Gyaan«, fuhr die Kryptologin fort, »sondern auch andere Körperformen. Möglicherweise existierten sie auch auf diesem Planeten.«
Ein zweiter Gyaan berichtete von der Entdeckung einer weiteren vergitterten Öffnung. Dies erklärte zumindest, wohin das Wasser abfloss.
Bevor sie ihre Vermutung laut äußern konnte, trillerte Nautia ihren Namen: »Tscho-El! Ich habe einen Schacht entdeckt, der nicht verschlossen ist! Komm schnell!«
Joelle eilte über den immer noch feuchten Boden zu der Gyaan und leuchtete mit ihrer Lampe auf die rechteckige Öffnung im Boden. Die darum siedelnden Algen waren von Wasser getränkt. Einzelne Tropfen fielen hinab in den Abgrund. Jemand hatte vor langer Zeit Stiegen in die Wand gefräst. Die Anordnung ließ auf Humanoide als Erbauer schließen, die etwas kleiner waren als Menschen.
»Ich würde sagen«, rief Joelle, »wir müssen in die Tiefe.«
*
Die Stiegen waren rutschig. Joelle befürchtete bei jedem Schritt abzustürzen.
In einer Tiefe von etwa fünf Metern endete der Schacht. Gänge führten in drei verschiedene Richtungen. Die Menschen konnten darin nicht nebeneinander laufen, dafür war der Weg zu schmal. Immerhin bot er genug Freiheit zu den Seiten und nach oben, sodass die Marines in ihren
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