Sternenfaust - 187 - Fanal der blauen Sonne
Menschen. Sie hieben nach den Beinen und zerrten daran.
Ein zwitschernder Ruf erklang von jenseits des Haines.
»Ihr miesen Lügner!«, klagte der Wortführer erneut. »Es kommen noch mehr von euch. Sie haben Waffen dabei! Meine Späher berichten es soeben! Warum greift ihr uns an?«
»Wir sind ebenfalls Forscher«, rief Joelle. »Wir haben euren Artgenossen nichts angetan. Die Ruine war bereits verlassen, als wir sie erreichten! Gebt mir den Ring, den ihr bei euch tragt. Ich spreche mit unseren Leuten, damit sie nicht angreifen!«
Sie wusste nicht weshalb. Vielleicht hatte ein Marine seine Waffe auf einen Swamper abgefeuert und die Wesen waren in Panik geraten. Doch der Wortführer befahl, sie vom Baum herab zu holen und man gab ihr den Multifunktionskragen.
Sie rieb sich nur kurz die schmerzenden, geröteten Handgelenke, dann griff sie nach dem Kragen, aktivierte den Funk und nahm Kontakt zu dem Rettungstrupp auf.
»Hier spricht Lieutenant Sobritzky. Bitte melden!«
Eine weibliche Stimme erklang leise aus dem Gerät. Der Translator übersetzte in diesem Fall standardgemäß nicht, damit kein Fremdwesen das Gespräch belauschen konnte. »Hier Major Mortimer.«
Joelle atmete innerlich auf. Offenbar hatten die Piloten Alarm geschlagen, und die STERNENFAUST hatte ein drittes Shuttle losgeschickt. Das bedeutete, dass sie alle sich schon länger in der Gewalt der Swamper befanden als zunächst vermutet. »Wir peilen ihr Funkgerät an und hauen Sie da raus«, sagte Mortimer.
Joelle schüttelte den Kopf. Nun, da sie sich von ihrer ersten Angst und Aufregung erholt hatte, gelang es ihr wieder, nüchtern zu denken. Sie durften nicht angreifen. Die Swamper waren in der Ruine auf den Wandmalereien dargestellt. Sie erforschten die Gemäuer. Vielleicht konnten die Wesen ihnen helfen, wenn es nur glückte, sie zu besänftigen.
»Major, man will uns vor eine Art Gericht stellen. Die Fremden glauben, wir haben ihre Leute verschleppt. Vielleicht haben wir noch eine Chance, sie vom Gegenteil zu überzeugen.«
»Wie gefährlich sind die Fremden?«
»Sie haben uns mit einem Gift betäubt. Halten Sie unbedingt Ihre Helme geschlossen! Ich weiß nicht, über welche Waffen die Fremden ansonsten verfügen.«
»Wir werden zu Ihnen vorstoßen und die Situation analysieren. Sollte ich Ihre Gruppe in unmittelbarer Gefahr sehen, greifen wir an.«
»Ich …« Der Schlag eines Tentakels unterbrach sie und man nahm ihr den Multifunktionskragen wieder ab.
»Verschwinden eure Artgenossen?«, fragte der Wortführer. Er starrte sie aus seinen ockerfarbenen Glupschaugen an. Die Haut schimmerte immer noch violett. Ein Zeichen für innere Erregung?
»Wenn ihr uns am Leben lasst und wir in Ruhe über alles reden können, dann ja.«
Der Swamper stieß einen schrillen Trillerlaut aus und winkte seine Artgenossen herbei. »Fesselt sie wieder!«, befahl er.
Und an Joelle gewandt sagte er: »Wir lassen uns nicht erpressen. Eure Waffen mögen mächtig sein. Aber es gelang uns bereits, euch außer Gefecht setzen. Das wird auch bei euren Gefährten glücken.«
Joelle presste die Lippen aufeinander. »Meine Gefährten wissen von eurem Gift und haben Gegenmaßnahmen ergriffen. Es wird bei ihnen nicht wirken.«
Der Swamper drehte sich um und huschte davon. Er würdigte sie keines weiteren Blickes.
*
Dyari und die anderen Erwachsenen hatten sich von Nautia nicht davon abhalten lassen, über die Fremden Gericht zu halten. Ganz im Gegenteil, sie wollten an den in den Bäumen hängenden Wesen ein Exempel statuieren. Dyari weigerte sich zu glauben, dass die Fremden nichts mit dem Verschwinden der Forscher um Nautias Mutter zu tun hätten. Und das Auftauchen eines weiteren metallenen Vogels, aus dem eine Gruppe bewaffneter Fremder gesprungen war, die auf einen Wachposten sofort das Feuer eröffnet hatten, hatte Dyaris Überzeugung nur bestätigt.
Die Erwachsenen hatten einen Kreis gebildet. Jeder hatte seine Tatka-Lanze vor sich in den Boden gerammt. In der Mitte des Kreises befanden sich drei der Fremden. Einer davon hatte offenbar den seltsamen Namen Lu-Tennent.
Dyari gestikulierte wild mit seinen Armen und deutete abwechselnd auf die drei Fremden, aber kein Laut drang vom Richtplatz bis zu Nautia, die mit Ulesi im Schatten der Ruine stand.
Dyari hatte sie beide vom Versammlungsplatz weggescheucht, obwohl sie zu gerne dabei gewesen wäre. Sie fühlte, dass die Fremden – vor allem dieser Lu-Tennent – die Wahrheit sprachen und ihr
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