Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
ein kleines athletisches Mädchen, dessen liebste Sportart das Foltern von Lehrern war, schüttelte den Kopf in offener Ablehnung.
»Sobald wir uns vergewissert haben, dass es auf der
Empyrean
sicher für euch ist«, sagte die Frau, »werden wir euch zu euren Eltern zurückbringen.«
»Ich habe alles mit angesehen«, sagte Waverly so laut sie konnte, aber nur die Mädchen neben ihr hörten sie. »Sie sind so schnell zu Boden gestürzt. Als ob sie tot wären.«
Die Frau legte eine klamme Handfläche auf Waverlys Wange. Ihre Augen waren taubenblau, ihr Lächeln sanft und liebevoll, ihre Haut trotz des Alters rein wie Milch, das graue Haar dicht und seidig. Waverly wollte sie mögen. Sie wollte ihr glauben. Fast tat sie es, doch die langsame, entschlossene Art, in der die Frau sprach, strafte ihre Worte Lügen. »Liebes, wir haben ihnen eine starke Droge injiziert, die sehr schnell wirkt. Es muss euch geängstigt haben, sie so fallen zu sehen, aber ich versichere euch, es wird ihnen gutgehen, solange sie in der Lage sind, die
Empyrean
zu reparieren.«
»Aber wieso habt ihr auf sie geschossen?« Es war Sarah, die gesprochen hatte. Die dickköpfige Sarah, die die Lehrer immer herausfordern musste, den Unterricht behinderte und die Dinge verkomplizierte. Aber hier, in dieser schrecklichen Situation, mochte Waverly Sarahs Missachtung. »Wieso habt ihr sie unter Drogen gesetzt?«
»Eine Panik war ausgebrochen«, erklärte die Frau. »Die Menschen versuchten, das Shuttle zu besteigen, aber wir mussten sie fernhalten. Dieses Shuttle hat nur eine begrenzte Kapazität, Mädchen. Zu viele an Bord dieses Schiffs hätten den Tod für uns alle bedeutet.«
»Wieso habt ihr nur die Mädchen genommen?«, fragte Waverly, war jedoch kaum in der Lage, sich Gehör zu verschaffen. Sie wurde von Minute zu Minute schwächer.
»Wir wollten die Jungs in einem zweiten Shuttle von Bord holen«, sagte die Frau bedauernd. »Aber nach den Ausschreitungen im Shuttle-Hangar können wir niemanden mehr von unserer Crew riskieren. Es scheint besser für alle zu sein, keinen Aufruhr zu riskieren, meint ihr nicht auch?«
Nur die jüngsten Mädchen schienen damit zufriedengestellt zu sein. Die älteren verharrten in schockierter Stille. Sarah und Samantha starrten wütend auf den Boden. Sarah wirkte selbst unter ihren vielen braunen Sommersprossen blass, und ihr rötliches Haar hing ihr in die Augen. Aus Samanthas Gesicht sprach noch immer die Mordlust. Felicitys Blick war ausdruckslos geworden. Sie saß gerade wie ein Besenstiel, als würde sie nach Haltung bewertet werden, und hielt den Blick auf ihre grazilen Finger gerichtet, die sie im Schoß gefaltet hatte. Es war offensichtlich, dass sie sich in einen sicheren Hafen in ihrem Innern zurückgezogen hatte. Aber viele der anderen Mädchen sahen erleichtert aus. Die Frau war mit einer beruhigenden Geschichte hereinspaziert, und sie klammerten sich an sie, hofften und wollten, dass sie wahr war.
»Mädchen, ich werde im Cockpit gebraucht«, sagte die Frau. »Wenn ihr irgendetwas benötigt, fragt ihr einfach nach Tante Anne, und ich komme sofort wieder, alles klar? Sobald wir euch an Bord der
New Horizon
haben, besorgen wir euch etwas Schönes zu essen und etwas Beruhigendes zu trinken. Ihr werdet sicher und geborgen sein.«
Die Frau warf ihnen ein so warmes und einladendes Lächeln zu, dass einige der Mädchen tatsächlich zurücklächelten. Dann drehte sie sich um, ging wieder zurück ins Cockpit, und die Tür glitt hinter ihr zu.
Waverly begriff, dass jede Hoffnung auf Widerstand – darauf, die Shuttle-Crew zu überwältigen – in den letzten Minuten gestorben war. Anne Mathers Geschichte hatte wunderbar funktioniert. Es würde keine Revolte geben. Es konnte keine Revolte geben. Die anderen Mädchen würden nicht dabei mitmachen, weil die meisten die Geschichte sogar noch mehr glauben wollten als sie.
Waverly spürte, wie ihr Atem langsamer ging. Sie lehnte ihren schmerzenden Körper gegen Felicity, und schließlich gab sie dem Schmerz und der Erschöpfung nach. Sie schloss ihre Augen, und trotz ihrer Angst schlief sie beinahe sofort ein.
Die
New Horizon
W ach auf.«
Zuerst schien sich die Stimme aus dem Nichts um Waverly herum zu bilden, doch als sie zu sich kam, vernahm sie mit großer Erleichterung das tiefe Brummen, das sie bereits ihr ganzes Leben lang gehört hatte – das vertraute Dröhnen der Maschinen der
Empyrean.
Sie war sicher zurück zu Hause. Sie spürte eine Hand in
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