Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
Brühe gehabt?«
Waverly nickte. Ihr Magen zog sich zusammen, immer weiter, während sie zu verstehen begann. Vermutlich würde sie weder ihre Mutter noch Kieran oder Seth oder irgendjemand anderen der Menschen, mit denen sie ihr ganzes Leben geteilt hatte, jemals wiedersehen. Beinahe erbrach sie sich.
»Ich weiß, was dich vielleicht aufmuntern könnte.« Mit einem wissenden Lächeln verließ die Schwester den Raum, war aber schon bald mit Felicity im Schlepptau zurück. »Das Mädchen hier muss eine Freundin von dir sein. Sie fragte ständig nach dir. Jetzt könnt ihr beide eine schöne Unterhaltung führen.«
Felicity sah abgehärmt aus, und man hatte ihr das blasse Haar mit einer Schleife aus dem Gesicht gebunden. Sie trug ein einfaches blaues Kleid, das das Blau ihrer Augen betonte, und Hausschuhe an den Füßen. Als sie Waverly sah, seufzte sie und setzte sich aufs Bett.
»Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht!«
»Alles in Ordnung bei dir? Sind die Mädchen in Sicherheit?«, fragte Waverly.
Langsam sagte Felicity: »Sie haben niemandem von uns weh getan.«
Waverly schaute über Felicitys Schulter. Die Krankenschwester saß im Stuhl an der Tür, die Beine übereinandergeschlagen. Die Hosenbeine waren zu kurz und gaben das obere Stück ihrer Baumwollsocken frei. Sie tat, als lese sie in Waverlys Krankenblatt, aber es war mehr als deutlich, dass sie die Mädchen belauschte.
»Wie lange sind wir schon hier?«, fragte Waverly.
»Sie halten uns von Uhren fern. Ich weiß nur, dass ich zweimal geschlafen habe.«
»Wo ist die
Empyrean?
«
Felicitys Unterlippe bebte. »Sie sagen, sie hätten keine Sendungen empfangen, seit wir gestartet sind. Sie suchen nach Wrackteilen.«
Das Bett neigte sich, und einen Moment lang schien es Waverly, als falle sie. Zerstört. Ihre Heimat. Alle, die sie jemals gekannt hatte. Ihre Mutter. Und Kieran.
Nein, es war unmöglich. Wenn sie sich damit abfand, wusste sie nicht, wie sie weiterleben sollte. Sie ergriff Felicitys Hände und wartete, bis sich ihre Augen begegneten, dann flüsterte sie: »Das ist das, was sie gesagt haben, oder?«
Felicity saugte Luft durch ihre roten Lippen. »Stimmt.«
»Lenk nicht ab.«
»Was meinst du damit?«, fragte Felicity distanziert.
Aber Waverly kannte ihre Freundin zu gut. Felicity war feige. Wann immer Waverly über ihren Vater sprach und darüber, wie sehr sie ihn vermisste, hatte sie gespürt, dass Felicity zuzuhören versuchte. Dass sie versuchte, das Richtige zu sagen. Trotzdem schaffte sie es immer wieder, das Thema zu wechseln und Waverlys Aufmerksamkeit auf etwas anderes, etwas Erfreulicheres zu lenken. »Ich will mich nicht aufmuntern! Ich will traurig sein!«, hatte sie einmal geschrien, aber es war, als hätte Felicity sie nicht gehört. Danach hatte sich ihre Freundschaft verändert. Sie waren immer noch beste Freundinnen, aber sie waren einander niemals wieder richtig nah gewesen. Waverly wusste, dass sie Felicity ihre mangelnde Stärke nicht zum Vorwurf machen konnte, aber es schmerzte trotzdem. In der jetzigen Situation allerdings blieb auch Felicity keine andere Wahl, als stark zu sein.
Waverly griff nach Felicitys Hand und hielt sie so fest, dass sie spürte, wie sich die Finger wanden. »Ich brauche dich tapfer an meiner Seite, Felicity. Kriegst du das hin?«
»Natürlich«, sagte sie, zog jedoch die Finger aus Waverlys Griff.
Ein Klopfen ertönte von der Tür, und Anne Mather, die grauhaarige Frau aus dem Shuttle, lehnte sich mit einem Lächeln in den Raum. »Wie geht es unserer Patientin?«
Waverly antwortete nicht.
Die Frau zog sich einen Stuhl an das Bett heran und setzte sich ans Kopfende. Sie bewegte sich in derselben müden Art wie Magda, und Waverly konnte sehen, dass ihr Gesicht schweißnass war. »Du bist ein widerstandsfähiges Mädchen«, stellte Anne Mather fest.
Waverly fixierte ihre eigenen Knie. Sie wollte diese Frau nicht ansehen, von der sie sich fremdbestimmt und eingelullt fühlte.
»Du hast eine Menge durchgemacht, Kind«, sagte sie sanft.
Jetzt hob Waverly den Blick und schaute sie an. »Ich bin kein Kind.«
»O Liebes, das stimmt. Du hast die Pubertät höchstwahrscheinlich schon hinter dich gebracht, oder?«
Das war eine merkwürdige Frage. Sie starrte die Fremde verwirrt an.
»Oh, tut mir leid. Wir sprechen sehr offen über diese Dinge an Bord der
New Horizon.
Dreiundvierzig Jahre allein im All lassen Menschen … offenherzig werden, nicht wahr?«
Magda kicherte, aber nach
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