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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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schlüpfrige Art, in der er mit ihr gesprochen hatte. »Alle waren … sind … wirklich nett.«
    »Wirklich? Denn die Frauen in der Biosphäre haben ganz andere Erfahrungen gemacht.«
    Waverly schwieg.
    »Es begann mit Komplimenten. Captain Jones … nun, er war damals nur Leutnant. Er fing damit an. Zu den Mahlzeiten machte er Bemerkungen, wie wunderschön meine Augen seien. Solche Dinge.« Mather lachte über Waverlys Gesichtsausdruck. »Wenn man mich heute so anschaut, kann man es kaum erkennen, Waverly, aber ich war einmal schön. Ich fühlte mich durch seine Aufmerksamkeiten geschmeichelt. Bald schon folgten die anderen seinem Beispiel, und alle Frauen in der Biosphäre bekamen viele Komplimente. Zu Anfang genossen wir es.«
    Mather erhob sich von ihrem Platz auf dem Schreibtisch, stützte sich dabei mit einer Hand auf dem knackenden Holz ab und ging zurück zu ihrem Sessel, in dem sie mit einem Seufzen zusammensackte.
    »Nach einer Weile schienen sich die Komplimente zu ändern. Wie kann ich es beschreiben? Ich versuchte zum Beispiel, Jones einen Statusbericht über einige Setzlinge zu geben, und er unterbrach mich, um mir zu sagen, wie schön meine Bluse aussähe. Nur dass er nicht von meiner Bluse sprach.« Sie zog an ihrer Kleidung und strich sie mit unruhigen Händen glatt. »Schon bald schien es so, als ob ich keine Arbeit machen konnte, ohne von jemandem unterbrochen zu werden, der mir sagte, wie schön ich sei. Und dann …«, ihre Stimme wurde leiser, und sie wandte den Blick ab, »… änderte sich die Stimmung.«
    Ein Teil von Waverly konnte nicht anders, als zuzuhören. Sie hatte alle möglichen Komplimente von Männern an Bord der
Empyrean
bekommen. Captain Jones hatte immer wieder angemerkt, wie schmal ihre Taille doch sei, und genau wie Mather hatte sie nicht das Gefühl gehabt, als würde er über ihre Taille sprechen. Auch die Blicke der Männer aus dem Zentralrat hatte sie zunehmend als taxierend empfunden. Es war, als hätten alle Männer an Bord der
Empyrean
ihre Richtlinien über zulässiges Verhalten gegenüber den Mädchen von Captain Jones selbst übernommen. Oder Captain Jones hatte die Crew danach ausgewählt, dass sie ebenso dachte wie er.
    »Ich erinnere mich an die Nacht«, fuhr Mather fort, »in der die Männer aufhörten, uns zuzuhören. Wir waren in der Cafeteria, aßen unsere Rationen, und Ruth machte Leutnant Jones gegenüber eine Bemerkung darüber, dass wir etwas in der Wasseraufbereitungsanlage überprüfen sollten. Keiner der Männer reagierte. Sie redeten einfach weiter miteinander, als hätten sie nichts gehört. Ruth wiederholte ihre Worte, und sogar ich versuchte, die Aufmerksamkeit der Männer zu bekommen, aber sie lachten, als wären wir nicht einmal im Raum. Das war der Moment, in dem ich begann, mich zu fürchten.« Mather goss sich selbst noch eine Tasse Tee ein, und Waverly fiel auf, dass der Flüssigkeitsstrahl zitterte. Mather nahm ein paar zaghafte Schlucke und setzte die Tasse wieder ab. »Ruth passierte es als Erstes.«
    »Was passierte?«
    »Sie nannten es eine ›Party‹. Ich kann nicht beschreiben, wie es sie veränderte. Aus einer jungen, dynamischen Frau wurde –«
    »
Was
passierte?«, rief Waverly. »Wovon reden Sie?«
    Eine der Wachen schaute in den Raum, aber Mather winkte ab, und der Mann nickte. »Ich glaube, du weißt, wovon ich spreche, Waverly. Ich kann es an deinem Gesichtsausdruck erkennen.«
    »Ich habe keine Ahnung …«
    »Doch, das hast du. Du kennst die Männer, über die ich spreche. Wer sie sind und wie sie sind. Du weißt es!« Mather schlug auf ihren Schreibtisch. »Sie machten die Runde bei allen Frauen in der Crew.«
    »Ich glaube Ihnen nicht.«
    »Es war nicht wirklich Gewalt im Spiel, das ist das Schwierige daran. Es war Beschwatzen, Sticheln, Betteln, Nörgeln. Reden davon, wie wir eine neue Gesellschaft aufbauen würden. Dass alte Regeln keine Rolle mehr spielten, dass wir unser Potenzial maximieren und sicherstellen müssten, dass es viele Babys gab. Sie hatten die Dreistigkeit zu behaupten, es ginge um Fruchtbarkeit. Und wir wurden weich, jede Einzelne von uns. Gaben den Kampf auf. Hörten auf, uns zu widersetzen. Ich nehme mal an, aus Angst. Aber zum großen Teil, weil wir verzweifelt zur Besatzung eines dieser neuen Schiffe gehören wollten.« Mather lachte, aber es klang bitter. »Die Menschen romantisieren die Alte Erde, aber glaub mir: Zu der Zeit, als wir abflogen, war sie ein schrecklicher Ort. Fast der gesamte

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