Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
Vom Netzwerk:
war er sehnig und schlank und sehr stark – und er war absolut nicht einzuschätzen. Seine tiefliegenden Augen ruhten in einem bronzefarbenen Gesicht, und obschon es stets so schien, als verstünde er alles, was vor sich ging, war er ein Außenstehender, ein Beobachter. Diese Eigenschaft erinnerte Kieran an Waverly und ließ ihn denken, dass er dem Jungen trauen konnte.
    Sarek nahm Kierans Gegenwart mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis.
    »Keine Angst«, sagte er, als er über Sarek schwebte. »Ich werde dich nicht vollkotzen.«
    »Das will ich dir auch geraten haben.«
    Kieran hatte immer gedacht, dass Schwerelosigkeit eine Menge Spaß bedeuten würde, aber sie war desorientierend und frustrierend. Sie brachte den Magen durcheinander, ließ Hände und Gesichter anschwellen und verursachte bei allen Kopfschmerzen. Jede Bewegung versetzte Körper in eine unvorhersehbare Drehung, und die einzige Möglichkeit, halbwegs funktionstüchtig zu bleiben, war, sich irgendwo festzuschnallen.
    »Irgendwas von den Shuttles?«, fragte Kieran und wusste doch bereits, wie die Antwort ausfallen würde.
    »Meinst du nicht, ich hätte es dir gesagt, wenn ich etwas gehört hätte?«
    »Du hast aber schon alle Frequenzen im Blick?«
    Sarek verdrehte die Augen. »Bist du taub? Kein Wort. Von niemandem.«
    Kieran zitterte, größtenteils vor Erschöpfung, aber auch aus Wut. Alle Jungen hatten begonnen, auf diese herablassende Art mit ihm zu sprechen, und nun fing sogar Sarek damit an.
    »Sarek«, sagte er mit nur mühsam unterdrücktem Zorn, »ich habe dir eine Frage gestellt. Hast du in der letzten Stunde alle Frequenzen auf Kommunikation überprüft?«
    Sarek starrte ihn an, als wäre er ein Idiot.
    »Falls Shuttle B 42 versucht, mit uns zu kommunizieren, meinst du dann nicht auch, dass es besser wäre, wenn wir zuhören würden? Sie könnten verletzt, tot, ohne Antrieb … sie könnten alles Mögliche sein.« Kieran war so müde; seine Zunge lag ihm zentnerschwer im Mund, aber er brachte sich dennoch dazu, jedes Wort deutlich auszusprechen. »Jede Stunde – zur vollen Stunde – ist es deine Aufgabe, alle Frequenzen auf jede Art von Kommunikation zu überprüfen. Text. Stimme. Video. Und wenn ich dich frage, ob du das getan hast, dann hast du zu antworten …« Kieran wartete darauf, dass Sarek den Satz für ihn beendete.
    Der Junge starrte ihn an, den Mund trotzig geschlossen.
    »Du hast mit ›ja‹ zu antworten. Weil du es getan hast. Verstehst du, was ich dir sage? Denn wenn nicht, werde ich jemand anderen an die Kom-Konsole setzen, der es versteht.«
    Ohne Kieran eine Bestätigung zu geben, streckte Sarek die Finger aus und tippte auf die Konsole; rhythmisch und betont demonstrativ arbeitete er sich durch alle Frequenzen. Seine Haltung, sein Gesichtsausdruck, die Art, wie seine Augen auf dem Bildschirm lagen: Alles deutete auf absolutes und vollständiges Gelangweiltsein hin.
    Als er fertig war, nickte Kieran. »So ist es richtig. Jede Stunde, Sarek. Wir wissen nicht, wer an Bord des Shuttles ist oder wen sie zu erreichen versuchen.« Kierans Wut verrauchte, und jetzt fühlte er sich erschöpft. »Vielleicht sind deine Eltern –«
    »Nein! Sie sind bereits tot. Alle sind tot.«
    »Wir wissen nicht –«
    »Du weißt gar nichts!«, fuhr der Jüngere ihn an und drehte ihm den Rücken zu.
    Kieran wusste, dass sich Sarek einfach so fühlte, wie sich alle fühlten – wie auch er selbst. Die einzige Erlösung wäre, wenn das vermisste Shuttle und alle Eltern und Schwestern zurück auf die
Empyrean
kämen, damit die Dinge wieder so liefen wie zuvor. Aber das konnte nicht geschehen. Ihr friedliches Leben war für immer von Menschen zerstört worden, die eigentlich ihre Freunde sein sollten.
    Sich vorzustellen, dass sie Waverly in ihrer Gewalt hatten. Unerträglich. Wenn sie Hand an sie legten …
    Der Gedanke schmerzte, und Kieran schob ihn fort. Stattdessen beschloss er, sich noch einmal hinzulegen. Er hatte so lange nicht mehr schlafen können – vielleicht gelang es ihm ja jetzt, seinen Geist zur Ruhe zu bringen. Er trieb an die Decke und zog sich an den Rohren, in denen die elektrischen Leitungen untergebracht waren, entlang. Es war die beste Möglichkeit, sich in Schwerelosigkeit zu bewegen, und er fragte sich, ob die Ingenieure das Schiff mit Absicht so konstruiert hatten. Er schwebte in den Schlafsaal des Bunkers, hängte sein Geschirr locker in ein Bett ein, schlüpfte unter das mit Gurten befestigte Laken und

Weitere Kostenlose Bücher