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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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auf einmal.«
    Eine Woge eiskalten Schreckens schlug über Kieran zusammen, aber er schaffte es zu antworten. »Okay.«
    »Kriegst du das hin, Kieran?«, fragte sie sanft. »Es tut mir so leid, dass dir diese Aufgabe zufällt.«
    Kieran nickte. Er fürchtete sich mit jeder Faser seines Wesens vor dem, was vor ihm lag – aber es gab eine weitere Angelegenheit, die er sogar noch mehr fürchtete.
    »Ich habe eine Liste zusammengestellt, von denen … die dort liegen. Wer es nicht … geschafft hat.« Kieran konnte nur mit geschlossenen Augen sprechen. »Aber ihre Söhne wissen es noch nicht, und ich weiß nicht, wie –« Er verschluckte sich an den Worten und räusperte sich mehrmals trocken, ehe er weitersprechen konnte. »Du bist Krankenschwester, nicht wahr? Wie sagst du jemandem …«
    Die Frau starrte auf den Bildschirm, Tränen standen in ihren Augen. »Ich sage es ihnen.«
    Kieran versammelte alle einhundertzweiundzwanzig Jungen schwebend im Gang vor der Kommandozentrale und ließ sie sich anstellen. Tobin Ames und Austen Hand kamen zusammen mit den anderen und warteten schweigend.
    Alle waren sich darüber einig, dass, egal wer gerade an der Konsole sprach, es allein tun sollte. Niemand betrat oder verließ die Kommandozentrale bis auf den Jungen, der mit seinen Eltern sprach. Manchmal konnte Kieran sie durch die Metallwände wimmern hören, aber zum größten Teil war es eine schweigende Prozession.
    Arthur war einer der Ersten, die aus der Kommandozentrale kamen. Er hatte sich an eine der elektrischen Leitungen an der Decke eingehakt, und dort schwebte er, bedrückt und verloren. Kieran wusste, dass der Verbleib von Arthurs Eltern ungeklärt war, also hatte er heute keine schrecklichen Nachrichten bekommen. Kieran tippte ihn an der Schulter an und winkte ihn den Gang hinab. »Ich brauche deine Hilfe.«
    »Weswegen?« Arthur schwebte hinter ihm und hielt sich gerade, indem er sich an den oberen Rohren festhielt.
    »Hast du die Videobilder vom Backbord-Shuttle-Hangar gesehen?«, flüsterte Kieran.
    »Ja.«
    »Kannst du mir helfen … aufzuräumen?«
    Der Junge wurde kreideweiß.
    »Du bist der Einzige, dem ich es zutraue …«, begann Kieran. »Ich schaffe das nicht allein. Ich weiß, ich verlange viel –«
    Arthur schnitt ihm das Wort ab. »Ich mach’s.«
    Die Fahrt hinunter verlief in grimmigem Schweigen. Als sich die Türen in den stillen Gang, der zum Shuttle-Hangar führte, öffneten, war der Schreck Kieran so tief in die Glieder gefahren, dass sie sich anfühlten, als wären sie aus Gummi. Er schaffte es nicht, den Fahrstuhl zu verlassen.
    »Sie werden nicht umherschweben, oder?«, flüsterte Arthur. Auch er hatte sich noch nicht aus dem Fahrstuhl herausbewegt.
    Kieran konnte nicht antworten.
    Schließlich verließen die Jungen die Sicherheit des Fahrstuhls und ließen sich in den Hangar gleiten. Auf den ersten Blick sah es aus wie immer, und einen verrückten Moment lang hoffte Kieran, dass man sich schon irgendwie um die Leichen gekümmert und ihn schlussendlich irgendjemand vor dieser Aufgabe bewahrt hatte. Aber so war es nicht. Dieser Ort war eine Gruft.
    Die Leichen waren überall – so absolut still und regungslos, dass sie auf den ersten Blick seiner Aufmerksamkeit entgangen waren. Vielleicht aber hatte er sie auch nicht sehen wollen, und sein Hirn hatte sie ausgeblendet, sie weggewischt. Aber als Kieran sich zwang hinzusehen, waren sie da, lagen dort, wo sie gefallen waren. Wartend. Dutzende von Schemen auf dem Boden oder knapp darüber schwebend, getrocknetes Blut unter ihnen. Blicklose Augen, verdrehte Gliedmaßen.
    So viele.
    Er sah Mrs. Henry, Mr. Obadiah, Leutnant Patterson, Harve Mombasa. Sie hatten die ganze Zeit hier unten gelegen und wurden zu Staub. Übelkeit stieg ihm die Kehle hoch, aber er schluckte sie hinunter. Sein Körper zitterte, seine Gliedmaßen fühlten sich blutleer an, aber er ballte die Fäuste, als er über sie hinweg auf die Luftschleuse zuschwebte.
    Arthur schwebte neben ihm, sah auf die bewegungslosen Formen um sich; sein Gesichtsausdruck war finster, seine Haut blass.
    »Wie machen wir das?«, fragte Kieran.
    Arthur fixierte ihn. »Wir brauchen ein Seil.«
    Sie arbeiteten vier Stunden, banden die Leichen an das Ende eines Seils und benutzten einen Seilzug, der an der Innenseite der Luftschleuse befestigt war, um die Körper durch den Shuttle-Hangar zu ziehen. Arthur erledigte das Ziehen zum größten Teil, aber es war Kieran, der die Schlaufen um die

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