Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
entfernt sein. Aus purem Instinkt ließ Kieran den Steuerknüppel los und aktivierte die hinteren Schubdüsen. Er spürte, wie sich der Sitz an seinen Rücken presste. Die
Empyrean
schien zu schwanken, als das Shuttle auf und ab schaukelte, aber sie blieb in Sicht, während die Triebwerke des Shuttles sie langsam auf die Heimat zuschoben.
»Ich glaube, du hast es geschafft«, sagte Seth.
»Es wird ein paar Minuten dauern, bevor wir landen müssen.« Kieran nickte. »Lass uns nach den anderen sehen.«
Er hakte sein Geschirr aus und folgte Seth zu der Luke, die in den Frachtraum führte. Er fürchtete sich vor dem, was sie dort vorfinden würden. Sein Herz pumpte in der Brust, seine Adern in den Schläfen fühlten sich geschwollen an und juckten, als hätten sich die gesamte Panik und Angst der letzten Zeit dort versammelt und versuchten nun hinauszukommen. Seth zog am Hebel, wuchtete die Luke auf und sah hinein.
Nichts, nur Dunkelheit.
»Hallo?«, rief Seth. Für Kieran hatte er nie zuvor so sehr wie ein kleiner Junge geklungen.
Ein gequältes Stöhnen erklang aus der Dunkelheit, und Kieran schaltete das Licht an der Innenseite der Luke an. Was er sah, würde ihn den Rest seines Lebens verfolgen.
Sie lagen zusammengekauert in einer Ecke des Frachtraums, blutend, die Gesichter geschwollen und höckrig vom Frostbrand, die Augen geschlossen und tränend, verkrustet von geronnenem Blut. Er erkannte kaum einen von ihnen wieder. Aber sie waren am Leben.
»Kann irgendeiner von euch sprechen?«
Schwach hob eine der verdrehten Gestalten einen Daumen. Kieran kniff die Augen zusammen, bis er Mason Ardvale erkannte, Seths Vater.
»Du hast uns alle gerettet, Kieran«, krächzte er.
Kein einziges Wort für seinen Sohn.
Seth starrte seinen Vater ausdruckslos an. Er schien nur noch eine leere Hülle zu sein.
»Ich fliege uns besser mal nach Hause.« Kieran legte eine Hand auf Seths Schulter. »Gute Arbeit.«
Doch Seth schüttelte seine Hand ab. »Meinst du, ich brauche das von dir?«
Kieran ließ die Hand sinken. »Ich habe nur versucht –«
»Hör auf, so zu tun, als hättest du das Sagen«, blaffte Seth. »Niemand vertraut dir.«
»Dafür hast du gesorgt, nicht wahr?«
»Fahr zur Hölle«, sagte Seth, bevor er sich zu seinem Vater durchschob.
Kieran sah zu, wie er sein Shirt auszog und es auf einen tiefen Schnitt in der Stirn seines Vaters drückte, liebevoll das verkrustete Blut abtupfte und seinem Vater etwas ins Ohr flüsterte. In diesem Moment vermisste Kieran seinen eigenen Vater furchtbar, aber er hatte keine Zeit, sich damit zu beschäftigen. Das Landesystem im Cockpit tönte an- und abschwellend, drängend. Er musste zurück. Kurz überlegte er, ob er Seth darauf hinweisen sollte, dass er sich selbst und die anderen für das Landemanöver sichern musste, aber ein kurzer Blick verriet ihm, dass Seth bereits selbst daran gedacht hatte. Er zog sich ein Stück weit zurück und wartete, bis er sah, dass Seth den letzten zerschundenen Körper sicherte. Dann verließ er den Frachtraum.
Kieran schnallte sich im Sitz an und versuchte das Shuttle direkt zur
Empyrean
zurückzubringen, aber irgendetwas stimmte nicht. Es schien, als könnte er sich ihr nicht direkt nähern. Im Gegenteil, die
Empyrean
schien weiter aus dem Bild zu rücken, je näher er kam. Als ob das Schiff selbst …
»Sarek!«, schrie Kieran in seinen Kom-Link. »Sind die Triebwerke wieder angesprungen?«
»Ja! Sie haben sich gerade aktiviert!« Sareks aufgeregte Stimme schallte durch die Leitung. »Wir haben wieder Schwerkraft, nicht viel, aber zunehmend! Habt ihr die Crew aus dem Maschinenraum gekriegt?«
»Ja, haben wir. Und sie leben.«
Kieran hörte hundert Jungen in Freudengeheul ausbrechen.
»Hör zu, Sarek, gibt es eine Möglichkeit, die Beschleunigung der
Empyrean
aufzuheben? Nur bis wir gelandet sind?«
»Ah …« Eine beunruhigende Pause folgte. »Ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll.«
»Okay, Sarek. Mach dir keine Sorgen deswegen.« Schweißperlen standen auf Kierans Oberlippe, und er leckte sie nervös weg. Es war möglicherweise nicht gut, die Triebwerke wieder zu deaktivieren. Sie wären vielleicht nicht in der Lage, sie wieder zu aktivieren. Aber das Shuttle auf einem sich bewegenden Ziel zu landen würde es doppelt so schwer machen. Kieran wischte sich die schweißnassen Handflächen an der Hose ab, nahm den Steuerknüppel und schob ihn nach vorn. Er gab genug Schub, um mit der
Empyrean
Schritt zu
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