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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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ältere Lektor sah aus, als würde er fast schlafen, aber die junge Frau mit dem geflochtenen, kastanienbraunen Haar betrachtete die Menge mit aufgesetzter Gelassenheit. Einen winzigen Moment lang begegneten sich ihre Blicke, aber dann starrte sie wieder leeren Blickes in die Ferne, als hätte sie sie niemals gesehen. Also hatte Mather sie doch noch nicht enttarnt. Sie fühlte sich in wohltuender Sicherheit. Im Moment.
    »Wer ist die Frau, die neben Anne sitzt?«, fragte Waverly Amanda, die froh zu sein schien, das Thema zu wechseln.
    »Jessica Eaton. Jess. Sie hat sich erst kürzlich freiwillig gemeldet, um beim Gottesdienst zu helfen, da Dekan Maddox seine Stimme verloren hat. Sie liest einige der Passagen vor.«
    »Wie hat sie diesen Job bekommen?«, fragte Waverly vorsichtig.
    »Sie ist Annes Assistentin. Wieso?«
    Waverly zuckte mit den Schultern. »Einfach nur Neugierde.«
    Die Hände wie zum Gebet unter dem Kinn gefaltet, lächelte Mather Amanda und Waverly an. Ihre weiße Satinrobe reflektierte das Licht, warf es auf ihre vollen Wangen und hüllte sie in ein seliges Glühen.
    »Weißt du, Waverly, ich bin nicht mit allem einverstanden, was meine Freundin tut«, sagte Amanda schließlich. »Aber ich trage auch nicht ihre Verantwortung. Sie muss sich um sehr vieles kümmern.«
    »Du wolltest ein Baby, richtig? Also bist du wohl doch nicht so ganz anderer Meinung.«
    Amanda erbleichte. Gerade als das Licht gedämpft wurde und das Signal kam, dass der Gottesdienst begann, flüsterte sie: »Stell dir vor, man bietet dir das eine an, das du mehr als alles andere willst. Würdest du dich weigern zu kooperieren? Wirklich?«
    Zu wütend, um zu antworten, ließ Waverly ihren Blick über die Versammelten schweifen. Sie sah Samantha, Sarah und Felicity, die alle in der ersten Reihe auf der anderen Seite des Gangs saßen. Samantha starrte Waverly an: der Mund regungslos, die braunen Augen mit unbeugsamem Ausdruck. Sie sah dünner aus und wirkte härter. Auch Sarah drehte sich jetzt zu ihr um und formte ein Wort mit dem Mund, aber Waverly konnte es nicht deuten. Sie schüttelte den Kopf. Anne Mather war an das Mikrofon getreten, und Sarah wandte sich wieder zur Bühne, die Hände im Schoß verknotet.
    Felicity heftete ihren Blick mit leerem Gesichtsausdruck auf Mather. Vielleicht war sie gut darin, ihre Angst zu verbergen, oder vielleicht war sie auch nach ihrem Leben als allerschönstes Mädchen auf der
Empyrean
so daran gewöhnt, Angst zu haben, dass sie nicht mehr wusste, wie man wütend war.
    Trotzdem, Waverly war so lange niemandem von der
Empyrean
mehr begegnet, dass es einfach nur wundervoll war, so viele bekannte Gesichter zu sehen, wie sehr sie sich auch verändert haben mochten. Sie sehnte sich nach Kieran oder auch nur einem Bild von ihm. Dann könnte sie zumindest sein Gesicht ansehen.
    Die ganze Gemeinde stand nun auf. Amanda bedeutete Waverly, sitzen zu bleiben, aber sie erhob sich trotzdem und lehnte sich schwer auf ihren neuen Gehstock.
    Mather lächelte warm und hob die Arme in einer umarmenden Geste. »Ich möchte diesen Gottesdienst damit beginnen, Gott für das gewaltige Geschenk der Sterne zu danken.« Sie schwenkte ihren Arm zum großen Rundfenster, in dem ein Schleier aus Sternen funkelte. In der Gemeinde erhob sich anhaltender Applaus. Selbst Waverly lächelte, als sie den wunderschönen Himmel sah, den sie so lange vermisst hatte.
    »O Herr«, sagte Mather, und der Applaus erstarb. »Wir danken dir für die Gnade, die du uns erwiesen hast. Du hast uns den Weg gewiesen, Leben zu erschaffen, indem du uns deine wunderschönen Töchter aus dem Schiff unserer gefallenen Weggenossen gesandt hast. Ich möchte diese großzügigen Mädchen ehren, die von ihrem Fleisch gegeben haben. Ich möchte die jungen Frauen nun bitten, auf die Bühne zu kommen, damit wir ihnen gebührend danken können. Waverly Marshall, Deborah Mombasa, Alia Khadivi, Felicity Wiggam, Samantha Stapleton, Sarah Hodges und Melissa Dickinson, bitte kommt zu mir.«
    Schockiert, so viele Namen zu hören, konnte sich Waverly zuerst nicht bewegen. Aber als Samantha ihre Hand anbot, nahm sie sie und ließ sich stützen, mühte sich auf die Bühne und nahm einen Stuhl an, den ihr Anne Mather persönlich darbot. Waverly sah die Pastorin eisig an, aber Mather lächelte nur und besaß sogar die Dreistigkeit, ihr über die Wange zu streicheln. Das Publikum murmelte zustimmend bei dieser Geste. Sobald alle Mädchen saßen, ging Mather zurück zu

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