Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
sich, ob der Captain wirklich an einer Krankheit gestorben war.
»Nun, eigentlich hatte sie bereits übernommen, bevor er krank wurde. Als die Dinge kompliziert wurden«, sagte Amanda, hielt aber inne und schien ihre Worte noch einmal zu überdenken. Schließlich ließ sie den Löffel sinken. »Aber das ist lange nicht alles.«
Sachte hob Amanda Waverlys Bein an, setzte sich auf den Stuhl, auf dem es gelegen hatte, und bettete den Fuß auf ihr Knie. »Ist das okay?«
Waverly nickte.
»Die Wahrheit ist, dass der Captain kein sehr guter Anführer war. Als wir feststellten, dass wir alle unfruchtbar waren … nun, du kannst dir den Zustand der Crew bestimmt vorstellen. Wir waren vollkommen verzweifelt, und er hatte einfach nicht den Weitblick, um damit umzugehen. Deswegen musste Anne einspringen.«
»Einspringen?«
»Sie war die Geistliche des Schiffs und war deswegen schon in einer Führungsposition. Wir gingen alle zu ihren Gottesdiensten, jeden Sonntag, denn ihre Predigten waren das Einzige, was uns Hoffnung gab. Der Captain schien ihr immer mehr den Vortritt zu lassen, bis er schließlich aus seinen Büro auszog und sie einzog. Und das war es mehr oder minder. Es war besser für das Schiff, weißt du. Sie gab uns wieder das Gefühl, eine Aufgabe zu haben, etwas, was der Captain niemals geschafft hatte.«
Waverly war sich sicher, dass mehr dahintersteckte, als Amanda wusste oder sagte. »Was für eine Krankheit hatte er?«
Amanda lächelte traurig. »Ich weiß es nicht. An Bord wütete eine Krankheit, die viele der Menschen befiel, die dem Captain nahestanden. Es war eine Tragödie.«
»Was für eine Krankheit?«
»Wir glauben, dass es eine Art Parasit war. Der Großteil des Zentralrats hat ihn sich bei einem seiner Treffen eingefangen. Aber die Ärzte waren nie in der Lage, ihn zu isolieren oder abzutöten.«
Waverly zwang sich, gleichmäßig zu atmen.
Amanda ging zurück zu ihrem Salat. In der Stille fragte sich Waverly zum hundertsten Mal, ob sie Amanda vertrauen konnte oder ob sie eine Spionin war.
»Weißt du, was ich mich frage?«, sagte Waverly langsam und folgte mit ihrem Daumennagel der Maserung auf dem Tisch. »Wie sie diese Wrackteile der
Empyrean
an Bord bekommen haben.«
Amanda sah kaum von dem Hühnerfleisch, das sie schnitt, auf. »Sie haben sie mit Shuttles und EMS geborgen.«
»Aber haben sie sie nicht mehrere Tage nachdem wir die
Empyrean
hinter uns gelassen hatten, aufgenommen?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Und hatten wir nicht die ganze Zeit über eine gleichbleibende Schwerkraft?«
»Ja«, sagte Amanda und schnitt langsamer.
»Ich verstehe einfach nicht, wie sie sie bergen konnten. Das ist alles. Wenn wir beschleunigt haben, um die künstliche Schwerkraft aufrechtzuerhalten, müssten wir die Wrackteile bereits unendlich weit hinter uns gelassen haben.«
Amanda hörte auf zu schneiden und sah Waverly nachdenklich an, als diese hinzufügte: »Aber wer weiß?«
Ovationen
F rüh am nächsten Morgen brachte Amanda Waverly einen schwarzen Arbeitskittel und ein Spitzenhalstuch. Waverly beobachtete sie und gab vor zu schlafen. Amanda bewegte sich leise, legte die Kleider so über den Bügel, dass sie glatt hingen, und glättete das Halstuch liebevoll mit den Händen. Es war offensichtlich, dass sie versuchte, sie nicht aufzuwecken, aber Waverly war schon seit Stunden wach und dachte einmal mehr über das pochende Geräusch nach, das sie gehört hatte. Sie versuchte herauszubekommen, wie sie verschwinden konnte, um danach zu suchen. Die Integrationshelfer, das wusste sie, standen rund um die Uhr vor Amandas und Josiahs Quartier. Ihre Anwesenheit schien Amanda nicht zu stören, was ein weiterer Grund war, warum Waverly ihr nicht vollkommen vertraute.
Amanda drehte sich um und bemerkte, dass Waverly sie ansah. »Du bist wach!«
Sie rieb sich die Augen. »Ich bin kein besonderer Langschläfer.«
»Hast du schon gesehen, dass wir aus dem Nebel heraus sind?«, fragte Amanda fröhlich.
Waverly wandte sich dem Bullauge zu und sah schwarze Leere und Sterne. Sie war gelähmt von der Erkenntnis, dass die
Empyrean
nun vielleicht in der Lage war, sie und die Mädchen zu finden. Wenn sie nur einen Weg von diesem Schiff herunter fanden!
»Liebes, wir würden uns sehr freuen, wenn du mit uns zum Gottesdienst kommst. Es wird wundervoll, da es so viel zu feiern gibt.«
Das könnte eine Möglichkeit sein, Sarah und Samantha zu sehen, dachte Waverly. Laut sagte sie: »Das würde mir
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