Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
ihrem Mikrofon.
Waverly sah in das Publikum, und so viele ergraute Menschen im mittleren Alter strahlten sie an, dass sie beinahe zurücklächeln wollte.
Sie sind meine Entführer,
ermahnte sie sich selbst. Jeder Einzelne von ihnen. Rasch warf sie einen Blick zu den anderen Mädchen hinüber. Felicity, Alia und Deborah waren gelassen, ihre Gesichter ernst. Sarah sah aus, als stünde sie kurz vorm Losheulen, und Samantha, die Fäuste auf den Knien geballt, suchte die Menge ab, als überlegte sie, wen sie zuerst töten sollte. Waverly bezweifelte sehr stark, dass Mather ihre volle Kooperation bekommen hatte.
»Und jetzt«, sagte die Pastorin, eine Hand erhoben, »möchte ich, dass diese Mädchen sehen, welch wunderbare Arbeit sie in Gottes Schöpfung vollbracht haben. Alle Frauen, die durch die Großzügigkeit dieser Mädchen gesegnet wurden, stehen bitte auf und zeigen uns, wer sie sind.«
Dutzende von Frauen standen auf, vielen rannen Tränen die Wangen hinab. Waverly sah Samantha an, deren dunkle Augen wütend funkelten. Sarahs Augen waren rot, und sie biss sich wild auf die Unterlippe, als versuchte sie, Tränen zurückzuhalten. Felicitys große blaue Augen waren vor Überraschung geweitet. Sie sah kurz zu Waverly hinüber und wandte dann den Blick ab; ihr Gesichtsausdruck war nicht zu deuten.
»Dank dieser tapferen Mädchen«, fuhr Mather fort, »werden wir die dunkle Nacht der Reise durch das Universum überleben, und unsere Kinder werden die Dämmerung auf New Earth sehen!«
Der Raum explodierte förmlich. Menschen standen, klatschten, juchzten und winkten den Mädchen zu. Viele weinten offen.
Während der wilden Ovationen fragte Waverly Samantha laut: »Was haben sie dir angetan?«
»Sie haben uns unter Drogen gesetzt!«, überschrie Samantha die Kakophonie. »Als wir aufwachten, war es passiert. Und dann baten sie uns um Erlaubnis, während wir kaum bei Bewusstsein waren.«
»Wir kommen hier weg«, sagte Waverly.
»Wir müssen es während des Gottesdiensts machen«, antwortete Samantha. »Das ist die einzige Zeit, zu der wir alle in einem Raum sind.«
»Wir müssen uns treffen«, sagte Waverly und bemerkte, wie der Applaus erstarb. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit.
»Sie beobachten mich jede Sekunde.«
»Ich spreche mit Amanda«, sagte Waverly. Von allen Frauen, die schwanger geworden waren, zeigte allein ihr Gesicht Verwirrung. »Sie wird helfen, glaube ich.«
Samantha griff an Waverlys Knie, als der letzte Applaus verebbte. »Wir können hier niemandem vertrauen! Versprich mir, dass du ihr nichts verrätst! Waverly!«
Waverly kaute auf ihren Lippen, während sie Amanda betrachtete. Sie war vielleicht ihre einzige Chance, aber Samantha hatte recht. Es war besser, einen anderen Weg zu suchen.
»Okay«, sagte sie, gerade als Anne Mather mit ihrer Predigt begann.
»Ich möchte euch fünfzehn Jahre zurückführen.« Anne Mathers Stimme erhob sich über die Gemeinde wie der Ruf einer Fanfare, und Waverly schien es, dass die Crew der
Horizon
ihr mit einer Verzückung lauschte, als verhießen ihre Worte ewiges Leben. »Nach Jahren der Verantwortungslosigkeit und naiver Selbstsüchtigkeit kamen wir schließlich an den Punkt, an dem wir unsere Familien empfangen sollten – nur um festzustellen, dass niemand von uns jemals Kinder gebären würde. Erinnert ihr euch, wie sich das angefühlt hat?«
Viele der Frauen in der Gemeinde nickten.
»Wir waren am Boden zerstört.« Anne Mather ließ die Worte in der Luft hängen, ehe sie fortfuhr. »Gott teilte Abraham einst mit: ›Das sollst du wissen, dass dein Samen wird fremd sein in einem Lande, das nicht seines ist.‹ Aber Abrahams Frau Sarah gebar keine Kinder. Also sagte sie zu ihm: ›Siehe, der Herr hat mich verschlossen, dass ich nicht gebären kann. Lieber lege ich dich zu meiner Magd, ob ich doch vielleicht aus ihr mich bauen möge.‹ Und Abraham gehorchte der Stimme Sarahs.«
Mather richtete eine Hand auf die Mädchen auf der Bühne, und die Gemeinde verlagerte gehorsam ihren Blick. Waverly schämte sich. Sie sahen sie an, als wäre sie eine Art Heilige. »Diese Mädchen sind die Erfüllung von Gottes Versprechen an die Menschen der
New Horizon!
«
Noch einmal brach die Gemeinde in Applaus aus, und Mather sog ihn auf. Sie hatte mit absoluter Überzeugung gesprochen, und ihre Gefolgschaft hatte in gleicher Weise reagiert.
»Diese Leute glauben tatsächlich, sie würden Gottes Willen ausführen«, sagte Samantha in Waverlys Ohr.
»Vielleicht
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