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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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    »Das ist ganz gut gelaufen, meinst du nicht auch?«, fragte Amanda schließlich, die Stimme aufgesetzt fröhlich. »Ich finde, dass wir die Integrationshelfer gar nicht brauchen, aber das konnte ich Anne nicht ausreden. Ich glaube, du hast ihr Angst gemacht, als du runter in den Frachtraum gegangen bist, und sie sagte, dass sie nicht will, dass eine von euch sich noch einmal verirrt und es … noch einmal zu einem … Unfall kommt.« Ihr Lächeln wirkte verrutscht und unglücklich.
    »Sieht so aus«, sagte Waverly, gab sich aber keine Mühe zu verbergen, dass sie diese Aussage für eine Lüge hielt. Sie konnte sehen, dass Amanda sie selbst nicht glaubte. Sie wusste nicht, wie viel Amanda unten im Frachtraum gesehen und verstanden hatte, aber dass sie der offiziellen Version, Waverly sei unabsichtlich verletzt worden, misstraute oder sie zumindest bezweifelte, war offensichtlich. Waverly gähnte. »Den ganzen Tag zu sitzen macht müde. Ich lege mich hin, wenn das in Ordnung ist.«
    »Denk dran, deine Geschichtshausaufgabe für morgen zu lesen«, rief Amanda ihr hinterher.
    Waverly schloss sich in ihrem Zimmer ein und schaltete die Schreibtischlampe ein.
    Sie starrte auf Samanthas Gedicht und versuchte, ihm eine Nachricht zu entlocken, aber es schien einfach nur ein wirrer Worthaufen zu sein. Sie wollte schon aufgeben, als ihr einfiel, dass Samantha, bevor sie das Gedicht vorgelesen hatte, etwas Merkwürdiges gesagt hatte. Was war es noch gleich gewesen? Irgendetwas über Qual.
    Jedes Wort war eine Qual?
    Nein.
    Jedes zweite Wort war eine Qual.
    Waverly unterstrich jedes zweite Wort im Gedicht, bis die verborgene Botschaft vor ihr stand:
    Messer besorgt. Ich find mehr. Blut wird fließen. Wir müssen sie überraschen! Im Gottesdienst! Felicity hat Nachricht überbracht. Wo sind sie? Erwarte Antwort bald. Morgen?
    Waverly arbeitete stundenlang an ihrer Antwort für Samantha, schrieb und überarbeitete ein neues Gedicht in der Hoffnung, dass morgen noch einmal die gleiche Aufgabe gestellt werden würde. Am Morgen war sie schrecklich erschöpft, und Amanda wollte sie nicht zur Schule gehen lassen, aber Waverly bestand darauf. Als die Integrationshelfer mit den Mädchen vorbeikamen, stand sie in ihrer seltsamen Uniform bereit, ihre Nachricht an Samantha auf dem Notizblock unter dem Arm.
    Als Amanda ihnen Zeit gab, ein kurzes Gedicht auf der Grundlage von John Keats’
Ode auf eine griechische Urne
zu schreiben, und sie ermunterte, viel Gefühl in ihre Worte zu legen, fiel Waverly ein Stein vom Herzen. Sie wartete, bis ein paar der Mädchen ihre Arbeit vorgelesen hatten, ehe sie sich freiwillig meldete. Sie wollte nicht zu eifrig erscheinen.
    »Wieso bleibst du nicht einfach an deinem Tisch sitzen und liest vor, Waverly?«, sagte Amanda.
    »Bei jeder zweiten Zeile habe ich mir das Herz aus der Brust gerissen, so hart habe ich daran gearbeitet!« Waverly zwang sich zu kichern.
    »Es freut mich zu hören, dass du deine Aufgabe so ernst genommen hast«, sagte Amanda strahlend.
    Waverly schaute kurz zu Samantha, die den Stift unauffällig auf den Schreibblock auf ihrem Schoß gesetzt hatte. Waverly strich ihr Gedicht auf dem Schreibtisch glatt und las vor, sorgsam darauf bedacht, am Ende jeder Zeile eine Pause einzulegen:
    Schönslieb mein, ich weiß nicht, wo
    Die Liebenden sich heut umfangen.
    Sie sind gefangen an dem Ort,
    an den nur Liebe kann gelangen.
     
    Der Klang verrät’s, ein rhythmisch Pochen,
    von Herzen, die im Gleichschritt schlagen.
    Ein Wasserwerk, doch ohne Wasser
    – keine Tränen, kein Verzagen.
     
    Kennst du diese Melodei?
    Die von süßen Küssen kündet?
    Einst lauschten wir ihr gemeinsam,
    Und ein Kuss hat uns verbündet.
     
    Ach, wir schaffen’s nur zusammen,
    An der Liebe Brust zu ruhn.
    Finde andre, bleib nicht einsam!
    Denn das ist der Liebe Tun.
     
    Immer weiter werd ich suchen
    Deine Lippen, Hände, Augen.
    Find ich sie, wirst du es wissen
    – wir sind geeint in Gottes Glauben.
     
    Wenn der Tag kommt, gehn wir fort
    Finden beide dieses Glück
    Niemand bleibt allein zurück
    Schönslieb, das musst du mir glauben.
    Einige der Mädchen kicherten, aber Amanda wirkte verzückt, und Waverly war sehr zufrieden mit sich.
     
    Wochenlang kommunizierten die Mädchen auf diese Weise, versteckten Nachrichten in Gedichten, in Zusammenfassungen, direkt vor der Nase der Integrationshelfer, die mit der Zeit entspannter wurden und nicht länger wachsam, sondern eher gelangweilt

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