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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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zum Gottesdienst hielt eine unübersehbar schwangere Frau sie an, küsste tatsächlich ihre Hand und strahlte vor Freude. »Gott segne dich«, flüsterte sie.
    Waverly sah kaum hin. Sie hatte zu viel Angst.
    Sie schob sich durch die Stühle, um ihren üblichen Platz bei Amanda in der ersten Reihe einzunehmen, wo sie Josiah und den Chor sehen konnte. Waverly suchte in der Menge nach Samantha, die dort saß, wo sie sitzen sollte – auf der Steuerbordseite. Auch Sarah fand sie dort, wo sie sie erwartet hatte: auf der Backbordseite. Sie hob die Hand als Signal für Samantha und wartete mit angehaltenem Atem.
    Samantha hielt kurz den Daumen nach oben. Die Messer waren an Ort und Stelle. Samanthas Aufgabe war die risikoreichste. Sie hatte vor dem Gottesdienst hierherkommen und die Messer plazieren müssen. Dass sie es geschafft hatte, erfüllte Waverly mit Stolz, verwunderte sie aber auch nicht. Samantha war von ihnen dreien die Beste für diesen Job.
    Waverly spürte ihren Herzschlag laut und gleichmäßig in der Brust. Ihr Gesicht war der Bühne zugewandt, sie sah Anne Mathers Hals weich und geschmeidig vor sich und hatte plötzlich das Gefühl, dass ihr Plan viel zu simpel war. Reichten ein paar geschlossene Türen und ein paar Messer wirklich aus? Konnte es überhaupt funktionieren?
    Sie holte tief Luft und schluckte die Übelkeit, die ihr die Kehle hinaufkroch, entschlossen hinunter. Es musste funktionieren. Es war ihre einzige Chance.
    »Was ist los?«, fragte Amanda und streichelte über Waverlys Rücken. »Geht es dir gut?«
    »Ja«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Ich dachte nur gerade daran, wie ich euch allen danken will. Das ist alles.«
    »Oh, ja?«
    »Für alles, was du für mich getan hast.«
    »Natürlich, Waverly. Ich liebe dich, das weißt du.«
    Waverly warf ihr ein verstohlenes Lächeln zu.
    Josiah begann die Gitarre zu spielen, und die Menge setzte sich. Anne Mather, die eine kürbisfarbene, mit Blumen und Vögeln bestickte Robe trug, ging zum Podium und hielt die mollige Hand hoch. »Friede sei mit euch!«, rief sie.
    »Und mit dir!«, antwortete die Menge.
    Unter Mathers freudvollen Worten hörte Waverly das gedämpfte Hämmern von zwei Beinpaaren, die auf die Seiten des großen Raums zustrebten. Die Integrationshelfer kamen. Es gab kein Zurück.
    Waverly stand auf. Sarah und Samantha hatten bereits leise die ersten beiden Schotten geschlossen. Sie hatte das leise Ploppen gehört und roch Ozon, als sie die elektrischen Schlösser außer Betrieb setzten. Ein paar Leute sahen sich abgelenkt um, als sie das Geräusch hörten, wandten sich dann aber wieder Mather zu. Schreckliche Angst griff nach Waverly, und einen Moment lang trübten schwarze Punkte ihr Blickfeld. Sie war sich sicher, dass die Integrationshelfer Waffen hatten – und vielleicht nicht nur sie. Trotzdem schaffte sie es, sich in Richtung Bühne zu bewegen, während Mather über die Feier zur anstehenden Ernte sprach. Amanda zupfte an ihrem Kleid und zischte: »Wo gehst du hin?«
    »Ich muss mal pinkeln«, flüsterte Waverly zurück. Sie schlang ihren Gehstock um das Handgelenk und kniete sich an den Heuballen direkt vor Mathers Podium. Als sie darunter tastete, spürte sie den kalten Metallgriff. Das Messer war genau da, wo es sein sollte.
    Sie nahm es zwischen die Zähne und schob sich blitzschnell auf die Bühne.
    Anne Mather hielt mitten im Satz inne und starrte sie an.
    Sie griff in Mathers Haare und riss ihren Kopf nach hinten, um ihren Hals freizulegen. Dann drückte sie die Messerklinge an die pulsierende Halsschlagader.
    Sie spürte, wie Mather zitterte. Gut. Sie hatte Angst. Die Frau roch nach Seife und Kokosnusslotion, ein widerlicher Geruch, der Waverly abstieß. Es war ekelerregend, körperlich so dicht bei der Frau zu sein, die sie töten wollte, und einen Moment lang wankte ihre Entschlossenheit.
    Ein überraschter Schrei erhob sich aus der Gemeinde. Frauen bedeckten ihre Münder, um Schreie zu ersticken; Männer hatten sich halb erhoben, als wollten sie Mather helfen, hielten aber inne und starrten Waverly schockiert an.
    »Das ist zwecklos, Waverly«, sagte Mather mit erstickter Stimme.
    »Ich werde dich töten«, antwortete sie und drückte die Klinge des Messers fester in Mathers Haut.
    Der untersetzte Körper der Frau versteifte sich.
    »Nicht bewegen!«, warnte Waverly und drehte das Messer so, dass die Schneide Mathers Hals ritzte.
    Sie hörte Schritte hinter sich und wirbelte herum.
    Josiah und der Chor waren

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