Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
binnen weniger Minuten ausgelöscht worden waren. Er rief sich die schrecklichen Momente im Steuerbord-Shuttle-Hangar wieder in Erinnerung, seine Hilflosigkeit, als er versuchte, die Leute zu überzeugen, den Shuttle-Hangar nicht zu stürmen, dass dies eine Falle war … und dann das Grauen, als die Tore der Luftschleuse sich öffneten und fast alle ins Vakuum des Alls und in den Tod hinausgesogen wurden, wo sie bis in alle Ewigkeit in der Kälte rotieren würden. Niemals würden sie aufhören, sich zu drehen, zu tanzen, würden nicht verwesen, würden einfach tot sein, und ihre Augen …
Hör auf damit, Kieran.
Er atmete ein paarmal tief ein, bis das alte Gefühl des Schocks und Verlusts abflaute, und zwang sich, jedes Vorschaubild genauer anzusehen. Jetzt, da der so lang ersehnte Augenblick endlich gekommen war, wurde ihm klar, dass er sich davor fürchtete, die Wahrheit zu erfahren. Wenn das Gesicht seiner Mutter nicht unter den Überlebenden war …
Regina Marshall, Harvard Stapleton, Kalik Hassan, Gunther Dietrich – die Gesichter von Eltern seiner Freunde tauchten auf, und bei jedem war er erleichtert. Dennoch scrollte er mit stetig schwächer schlagendem Herzen durch die Bilder und spürte, wie heiße Tränen unter seinen Augenlidern brannten. Sie war nicht dabei. Das Gesicht seiner Mutter war nicht unter den Überlebenden. Auch nicht das seines Vaters. Aber das hatte er erwartet.
Am unteren Bildschirmrand war ein Vorschaubild von Mathers Gesicht, das er nun anklickte.
»Das sind alle Überlebenden von der Empyrean auf unserem Schiff, Kieran, bis auf einen«, sagte sie mit gespieltem Bedauern. »Ich halte das Video deiner Mutter zurück, bis ihr uns an den Koordinaten trefft, die ich dir jetzt übermitteln werde.«
Der Bildschirm wurde schwarz.
Seine Mutter war am Leben. Sie lebte! Aber schnell erkannte er die andere Seite der Botschaft: Sein Vater lebte nicht mehr.
Er hatte schon lange vermutet, dass sein Vater den ersten Angriff nicht überlebt hatte. Aber es sicher zu wissen … ließ ihn innerlich erfrieren.
Er konnte sich jetzt nicht mit seinen Gefühlen auseinandersetzen. Er wollte weinen. Er wusste, er sollte weinen oder schreien. Aber stattdessen spielte er die Videos der Gefangenen eines nach dem anderen ab und hielt Ausschau nach Zeichen von Nötigung. Alle Gefangenen sahen gut ernährt und trotz der eingefallenen Gesichter sauber aus, und alle sprachen direkt in die Kamera, sagten ihren Kindern, wie sehr sie sie liebten, dass sie sich keine Sorgen machen sollten und bald bei ihnen sein würden.
Harvard Stapletons Video war besonders eindringlich. Der Mann war um Jahre gealtert, hatte tiefe Furchen unter seinen blutunterlaufenen Augen. Auch seine Stimme hatte sich verändert, war heiserer, schwächer und trauriger geworden. Kieran empfand tiefes Mitleid mit ihm. Harvard hatte dieses Video für eine Tochter und eine Frau aufgenommen, die schon seit Monaten tot waren.
»Du bist stark, Samantha«, sagte Harvard tapfer. »Ich sorge mich nicht um dich. Ich weiß, dass du es geschafft hast und dass es dir gutgeht. Aber ich weiß, dass deine Mutter und du euch um mich sorgt. Mir geht es gut. Es war hart, aber sie geben uns zu essen und versorgen uns medizinisch. Rein körperlich geht es mir gut. Das Schlimmste ist, dass ich dich und deine Mom vermisse. Ich kann es kaum erwarten, eure Gesichter wiederzusehen.«
Kieran vergrub sein Gesicht in den Händen und weinte um die zerstörten Familien, um die jungen Seelen, die durch das, was passiert war, so tiefe Narben davongetragen hatten. Und er weinte um die Zukunft. Er hatte seinen Ängsten, was als Nächstes passieren würde, noch nie freien Lauf gelassen, aber nun konnte er sie nicht mehr zurückhalten. Wie sollte er das durchhalten? Wie sollte er sie zurückholen? Und selbst wenn er es schaffte, wie sollten sie jemals auf New Earth Seite an Seite mit jenen Menschen leben, die so viele Leben zerstört hatten?
Gegen Ende der Videos hatte sein Verstand sich wieder auf bekanntes Territorium begeben. Er musste Dinge angehen und Aufgaben erledigen und durfte nicht zulassen, dass sein Kummer ihm bei dem Job, den er hier zu tun hatte, in die Quere kam. Er leitete die Videodateien an Sarek weiter und gab ihm Anweisungen, die Familien der Gefangenen zu kontaktieren, damit sie sie ansehen konnten. »Aber sag ihnen nicht, dass das alle Gefangenen sind.«
»Das sind alle? «, fragte Sarek ungläubig.
Kieran sah die weit aufgerissenen Augen des
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