Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
den Stechpalmensetzling fand, den Seth zwischen zwei Rocky-Mountain-Wacholdern plaziert hatte. Hier roch es harzig und frisch, und obwohl sie vor Kälte zitterte, mochte sie das Gefühl der frischen, klaren Luft auf ihrem Gesicht.
Sie trat die Stechpalme zur Seite, stach das Blatt des Spatens in den hartgefrorenen Boden und hackte auf die Nadelmatte und die kalte Erde unter sich ein. Sie hatte nicht darüber nachgedacht, wie gefroren der Boden sein würde, und verfluchte Seth zwischen schnaufenden Atemzügen, während sie ihr ganzes Körpergewicht in die Arbeit legte. Bald schon sorgte eine dünne Schweißschicht dafür, dass ihr noch kälter wurde. Da die Arbeit monoton war, ließ sie ihre Gedanken zu der Sache abgleiten, die sie in den letzten beiden Tagen immer wieder beschäftigt hatte.
»Mach keinen Unsinn«, hatte ihre Mutter in dem Video gesagt. Waverly hatte es sich wieder und wieder angeschaut, stundenlang, und nach Anhaltspunkten für den wahren Gefühlszustand ihrer Mutter gesucht. Regina lächelte tapfer in die Kamera, und ihre Stimme hatte einen fast aufgekratzten Klang, aber irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Die Art, wie ihr linkes Auge zuckte. Wie sie immer wieder auf die linke Seite der Kamera schaute, als ob sie das Einverständnis der Person, die sie filmte, einholen wollte. Waverly hatte nicht gewusst, was sie davon halten sollte, als Sarek ihr die Videodatei mit einer beigefügten Bemerkung, Kieran habe Anne Mather dazu gezwungen, diese Mitteilungen zu versenden, zugeschickt hatte. Zuerst hatte ihr Herz vor Freude getanzt, aber je länger sie das Video betrachtete, desto mehr wuchsen ihre Sorgen. Irgendetwas am Verhalten ihrer Mutter schien erzwungen.
Ein Grund mehr, an das zu kommen, wegen dem sie hier war.
Waverlys Spaten stieß auf etwas Hartes in einigen Zentimetern Tiefe, und sie arbeitete sich einmal um den Rand des Objekts herum, wobei sie zuerst die harte Erde mit dem Spaten abstach und sich dann auf den Boden kniete und die Erdbrocken mit den Fingern wegfegte, bis sie endlich den Trageriemen ertasten konnte. Sie zog so fest, wie sie konnte, daran, um das Ding aus dem Boden zu zerren, und als es sich plötzlich löste, fiel sie hart auf den Rücken.
Sie nahm des Ende der Taschenlampe in den Mund, öffnete den Reißverschluss der Tasche und fand genau das, was sie erwartet hatte: zwei Dutzend Gewehre und eine schier unendliche Menge dazugehöriger Munition.
Warum hatte Seth die Waffen an sich gebracht? Und wann?
Sie wusste es nicht, und im Moment war es ihr auch egal. Kieran hatte alle Waffen an Bord der Empyrean versteckt, und nicht einmal Arthur wusste, wo sie sich befanden. Diese hier waren die einzigen, die übrig waren.
Als sie aus der Nadelbaumabteilung in die Wärme der Gänge zurückeilte, lastete das Gewicht der Tasche auf ihrer Schulter, und die metallenen Gewehre darin schlugen mit jedem Schritt gegen ihre Hüfte. Die Tasche war unerträglich schwer und machte sie langsam, aber sie hatte Glück und begegnete niemandem auf ihrem Weg zum Shuttle-Hangar. Wenn sie in ein paar von Kierans Schlägern hineingerannt wäre, hätte sie sie kaum davon abhalten können, die Tasche zu durchsuchen. Sie hatte den Verdacht, dass Kieran wusste, dass das Rettungsteam Gewehre benutzen wollte, aber sie konnte sich gerade nicht mit irgendwelchen Fragen beschäftigen.
Arthur war bereits in dem Shuttle, das sie ausgewählt hatten. Er saß im Cockpit und starrte nachdenklich auf die Kontrollanzeigen, als ob er sich die Einstellungen der Schalter und Hebel merken wollte.
»Wie viele sind es?«, fragte er mit feierlicher Stimme, als er sie hereinkommen hörte.
»Vierundzwanzig«, antwortete sie.
»Mehr, als wir benötigen.«
»Wir werden sie aber alle mitnehmen. Falls wir uns den Weg freischießen müssen, können uns unsere Eltern dabei helfen.«
»Gute Idee«, sagte Arthur und schluckte hörbar. Offensichtlich beunruhigte ihn der Gedanke an einen Kampf. Er hatte nicht viel über das Video seines Vaters erzählt, lediglich erwähnt, er sähe dünner und älter aus. Aber Waverly wusste, dass er sich viel mehr sorgte, als es diese beiden Wörter nahelegten. Arthur selbst schien während der letzten Stunden dünner und älter geworden zu sein.
»Wie lange, bis wir am Treffpunkt ankommen?«, fragte sie und ließ sich auf dem Copilotensitz nieder. Auch wenn sie es nicht wollte, hatte sie doch das Gefühl, dass Arthurs Platz – der Pilotensitz – eigentlich der ihrige war. Aber natürlich
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