Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
bewaffnet sind.«
Etliche der Zuschauer schnappten alarmiert nach Luft, und Waverly hörte hektisches Wispern um sich herum.
»Hinzu kommt«, sagte Kieran, »dass der Terrorist mit dem von der New Horizon entkommenen Shuttle an Bord der Empyrean gekommen sein muss, das von Waverly Marshall gesteuert wurde.«
Waverly musste sich am Traktor abstützen.
»In Anbetracht dessen habe ich eine neue Regelung eingeführt, um die Sicherheit jedes Crewmitglieds nachgewiesenermaßen zu gewährleisten. Fortan wird es täglich Gottesdienste geben; die Teilnahme ist verpflichtend. Meldet euch jeden Morgen um acht Uhr in der Aula. Dort werden wir alle durchzählen und wichtige Ansagen machen. Außerdem werden wir unseren Tagesbeginn dort stets mit Reflexion, Gebeten und in Gemeinschaft verbringen. Wir müssen zusammenhalten, Leute. Jetzt ist nicht die Zeit für Zerwürfnisse und falsche Bündnisse. Wenn wir das hier überstehen wollen, müssen wir einander vertrauen. Danke für eure Aufmerksamkeit. Bitte fahrt jetzt mit euren Verpflichtungen fort.«
Waverly ließ ihren Schraubenschlüssel fallen. Ihr wurde bewusst, dass sie die Luft angehalten hatte, und sie öffnete den Mund, um zu atmen.
Auf ihrem Shuttle war ein blinder Passagier gewesen? Sie und die anderen Mädchen hatten fast einen Monat lang auf dem Shuttle gelebt und darauf gewartet, dass die Empyrean sich aus dem Nebel löste und sie Kontakt mit ihr aufnehmen konnten. Die Mädchen hatten das ganze Shuttle auf den Kopf gestellt, waren fast wahnsinnig geworden, während sie versuchten, nicht an den stetig schrumpfenden Berg der Nahrungsrationen im Frachtraum des Schiffs zu denken. Wo hätte ein blinder Passagier sich in all der Zeit verbergen sollen?
Sie hätte das Shuttle durchsuchen müssen, es auseinandernehmen, unter jedes Panel schauen, in jede Ritze kriechen müssen. Sie konnte einfach nicht glauben, dass ihr das passiert sein sollte!
Jetzt hatte Kieran und jeder andere auf dem Schiff einen Grund mehr, sie zu hassen.
Waverly warf ihre Arbeitshandschuhe zu Boden, ignorierte die wütenden Blicke der anderen – zornige pubertierende Kinder auf der Suche nach jemandem, den sie hassen konnten. Sie suchte ihr Heil in der Flucht. Sie pflügte durch das Weizenfeld, immer schneller und schneller, stampfte durch das knöchelhohe Erdreich, bis sie die Fahrstühle an der Backbordseite erreichte. Mit dem Handballen donnerte sie auf den Rufknopf und schlug dann zornig gegen die Wand, einmal, zweimal, bis irgendetwas an ihrem Handgelenk aufplatzte.
Schließlich öffnete sich die Fahrstuhltür wieder und gab den Blick auf einen leeren Korridor frei. Waverly fühlte kaum, wie ihre Füße den Boden berührten, während sie durch die gespenstischen Reihen der Ein-Mann-Gefährte zu dem Shuttle rannte, das sie hierhergebracht hatte. Sie hatte es niemals wiedersehen wollen, aber jetzt rannte sie die Rampe hinauf und in den Frachtraum.
Es stank fürchterlich. Wieder erinnerte sie sich an ihre grauenvolle Reise zurück aus der Gefangenschaft auf der New Horizon. Das Shuttle war dazu gedacht, dem Bodenpersonal bei Terraformingprojekten während der ersten Besiedlungsphase auf New Earth zu dienen. Deshalb war es ausgestattet mit Wasser, Umluft und auch mit Essensrationen. Aber für die Raumfahrt war es ungeeignet. Es gab lediglich rudimentäre Systeme, um mit der Schwerelosigkeit umzugehen, was es nahezu unmöglich machte, zu essen oder des Mülls an Bord Herr zu werden. Die Lagerräume sahen aus wie ein Schlachtfeld.
Sie erklomm die Stufen zum Passagierbereich, wo es noch schlimmer aussah. Weggeworfene Nahrungsmittelbehälter bedeckten den Boden, und die Sitze befanden sich in unterschiedlichsten Liegepositionen. Sie erinnerte sich an das Weinen, das Flehen, die endlosen Fragen: »Wie lange noch? Die Empyrean ist immer noch irgendwo dort draußen, nicht wahr, Waverly?« Und die schlimmste Frage von allen, in Endlosschleife wiederholt von praktisch jedem Mitglied der Crew: »Warum hast du meine Mutter nicht retten können? Meinen Vater? Meinen Onkel? Warum hast du sie zurückgelassen?«
Sie hätte ihnen die Schusswunde an ihrer Schulter zeigen können, aber sie würde ihnen niemals verständlich machen können, wie es wirklich gewesen war.
Das Bild eines sterbenden Mannes. Das Blut auf seinem T-Shirt. Eines Mannes, der gestorben war. Ihretwegen.
»Ich denke nicht mehr daran«, sagte sie laut.
»Hallo?« Eine Jungenstimme. Eine, die sie nicht wiedererkannte.
Waverly sprang
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