Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
stahlverkleidete Schott, das den Raum versiegelt hatte, war tatsächlich manuell aufgebrochen worden. Er holte tief Luft und öffnete die Tür zum Maschinenraum.
Wenn er in den letzten Monaten an diesen Ort gedacht hatte, hatte er eine Gruft vor Augen gehabt, und er mochte es nicht, hier zu sein. Er ging zum Werkzeugschrank, um den Geigerzähler herauszuholen. Er überprüfte das Ergebnis, und es erstaunte ihn. Zuerst zögerte er, doch dann nahm er den Helm vom Kopf und atmete die vergleichsweise frische Luft ein. Dann riss er sich den gesamten widerlichen Anzug vom Körper und warf ihn in eine Ecke.
Kieran ging zu dem Müllhaufen und sah ihn durch. Die Container befanden sich in unterschiedlichen Stadien der Verwesung, einige von ihnen komplett ausgetrocknet, andere noch feucht und identifizierbar. Er zählte sie und kam zu dem Schluss, dass es genug waren, um eine Person länger als eine Woche am Leben zu halten.
Und Seth war erst vor zwei Tagen aus dem Gefängnis entkommen.
Kieran saß auf dem Boden und starrte den Müllhaufen an. Gesetzt den Fall, dies hier war nicht inszeniert – was er nicht glaubte –, dann war es nicht Seth gewesen, der hier unten kampiert hatte. Kieran gefror das Blut in den Adern, als er darüber nachdachte, was das bedeuten könnte.
Mit neu erwachter Dringlichkeit stand er auf, durchstöberte alle Schränke, ging schließlich in den riesigen Reaktorraum und suchte ihn Schritt für Schritt nach mehr Spuren ab. Er fand keine. Er war sich ziemlich sicher, dass wer auch immer seine Zeit hier unten verbracht hatte, nicht zurückkommen würde. Nicht jetzt, wo der Alarm gedrückt worden war. Aber er würde trotzdem ein Team hier stationieren, um auf der sicheren Seite zu sein. Zornig schüttelte er den Kopf. Er hatte gehofft, mehr zu finden. Irgendeinen Hinweis auf das, was während der Fehlzündung der Schubdüsen passiert war. Jetzt war er enttäuscht.
Gedankenversunken ging er zurück zu dem Aufzugsschacht und drückte auf den Rufknopf. Es war Seth gewesen, der diesen Notruf abgesetzt hatte, er war sich ganz sicher. Seth wusste irgendetwas, und aus irgendeinem Grund war er bereit, seine eigene Entdeckung zu riskieren, um Kieran eine Nachricht zukommen zu lassen. Verhöhnte er ihn?
Ein leises Klingen erklang, und die Türen des Fahrstuhls öffneten sich, doch einem Impuls folgend wandte sich Kieran stattdessen erneut dem Treppenschacht an der Steuerbordseite zu. Dies war der am wenigsten genutzte Treppenschacht des ganzen Schiffs. Ohne seinen Strahlenschutzanzug war es hier sehr kalt und unangenehm, und es gab keine Überwachungskameras. Auf diesem Weg konnte sich Seth durch das Schiff bewegt haben.
Ein kalter Lufthauch streifte sein Gesicht. Die Stufen waren aus Metallgittern gefertigt und wanden sich mehrere hundert Meter über seinem Kopf empor bis hinauf zum Bug des Schiffs. Kieran hielt die Luft an und lauschte auf das Geräusch von Schritten. Selbst wenn Seth zehn Absätze über ihm gewesen wäre, hätte er ihn hören müssen. Oder vielleicht war Seth gar nicht erst so weit gegangen.
Auf gut Glück ging Kieran hinauf in den Lagerraum und betrat die weitläufige Halle. Hunderte von Frachtcontainern waren hier verstaut und warteten auf den Tag ihres Einsatzes. Den Tag, an dem sie New Earth erreichen würden. Hier in diesem stillen Raum, umgeben von mammutgroßen Containern, wurde ihm bewusst, dass viel Zeit vergangen war, seit er zum letzten Mal allein durch das Schiff gewandert war. Er hatte das früher oft getan, war einfach losgegangen, ohne bestimmtes Ziel. War herumgelaufen, hatte die Leute gegrüßt, denen er zufällig begegnet war, hatte angehalten, um Mrs. Dunnow bei der Kartoffelernte zu helfen oder Mr. Aims beim Füttern der Forellen. Jetzt wirkte das Schiff wie ausgestorben.
Zum ersten Mal seit langer Zeit erlaubte er sich, an seine Eltern zu denken. Falls er seine Mutter jemals wiedersehen würde, würde er ihr alles erzählen, was geschehen war. Alles, was er getan hatte. Und sie würde ihn in die Arme nehmen und sagen: »Du hast getan, was du tun konntest. Niemand hätte es besser machen können.« Sein Vater würde ihm auf die Schulter klopfen – jene Art von Schulterklopfen, die gerade weh genug tat, dass man sich stark fühlen konnte –, und er würde sagen: »Ich bin stolz auf dich, Sohn.«
»Ich bin stolz auf dich«, murmelte Kieran zu sich selbst und versuchte dabei, wie sein Vater zu klingen.
Ein Geräusch drang an sein Ohr.
Er hielt inne.
Weitere Kostenlose Bücher