Sternenfinsternis (German Edition)
unauffällig wie nur möglich vorzugehen. Wir wollen Jaro und Camerons Freund retten und keinen Krieg anzetteln oder?«
Kri‘Warths Gesichtszüge änderten sich von einem Moment zum anderen. Plötzlich schien man die Reue eines verletzlichen Kindes in ihm zu erkennen und nicht mehr die Aggressionen eines wilden, unbändigen Kriegers.
Cameron bekam von all dem nichts mit. Während er sich von seinem Schock zu erholen schien, kam ihm eine, seiner Meinung nach, geradezu geniale Idee. Mit beiden Händen, den Griff fest umschlugen, versuchte er den Säbel aus der Wand zu ziehen, als er die Stimme des sich nähernden Hünen vernahm.
»Jabar se logsu Olum«, was Nokturijè sogleich übersetzte: »Er meint, dass du Olum nicht herausziehen kannst. Diesen Säbel sind nur die mächtigsten Golar imstande zu führen.«
Den letzten Satz fügte Nokturijè allerdings hinzu, weil sie wusste, welch eine Ehre es für einen Golar war, wenn sie im Alter ihrer Reife ein solch mächtiges Instrument überreicht bekamen. Es war sogar so, dass es manche Golar verwehrten, das persönliche Olum überhaupt anzusehen. Nicht selten fanden viele nach einem derartigen Vergehen einen überaus schmerzlichen und grausamen Tod.
Cameron wusste nichts von dem eigensinnigen Stolz der Golar. Infolgedessen verschwendete er auch keine Gedanken über mögliche schwerwiegende Folgen. So zog er den Säbel mit aller Kraft durch die Wand. Wie durch Butter ließ sich die Klinge durch den Sandstein führen. Kri‘Warth und Nokturijè standen nur da und beobachteten ihn verwundert.
Als Cameron seine Arbeit beendet hatte, zog er den Säbel aus dem Stein, trat einige Schritte zurück und betrachtete sein Werk.
Einige Sekunden vergingen, welche die drei auf die Wand starrten, währenddessen nichts geschah. Camerons Miene verfinsterte sich zunehmend. Irgendwann hielt er das Warten nicht mehr aus, lief auf die Wand zu und gab ihr einen kleinen Schubs. Der von ihm in die Wand geschnittene Bogen geriet aus dem Gleichgewicht und fiel in einem Stück dumpf krachend auf die gegenüberliegende Seite. Stolz blickte Cameron die Mè und den Hünen an.
Nokturijè erwiderte die Blicke des Colonels kritisch, da diese Variante ebenso wenig lautlos war, wie die des Hünen. Kri‘Warth hingegen drückte Cameron seinen Stolz aus, indem er ihm kräftig auf die Schulter klopfte, was den Menschen beinahe von den Beinen riss. Doch dann sah er seinen Olum-Säbel, welcher sich noch immer im Besitz des Colonels befand und forderte argwöhnischen Blickes mit ausgestreckter Hand seine Waffe wieder von ihm ein.
»Ein cooles Gerät!«, entgegnete dieser begeistert. »Kann ich auch so einen haben?«
»Sok!«, erwiderte er mit einem stechenden Blick.
»Er sagte Nein!«, übersetzte die Mè prompt.
Cameron nickte ein wenig pikiert.
»Ja, diese Antwort hätte ich auch ohne Übersetzung verstanden.«
Sie traten über die Schwelle der durchbrochenen Wand und fanden sich in einem kleinen Raum wieder, der kaum größer als eine durchschnittliche Besenkammer war. Andererseits würde eine solche Kammer über keine in Metall gerahmte Holztür verfügen. Diese auf herkömmliche Weise zu öffnen, schlug fehl. Da sie kein Türschloss besaß, lag die Vermutung nahe, dass die Tür von der anderen Seite verriegelt war. Und auch wenn sie ein wenig marode wirkte, musste der kräftige Kri‘Warth feststellen, dass sie massiver war, als sie den Anschein machte.
»Was jetzt?«, fragte Cameron und blickte sich in dem kleinen Raum um, der kaum ausreichend Platz bot, als dass sich einer von ihnen problemlos hätte umdrehen können.
Das einzige, was sich darin befand, waren alte Holzregale mit zerbrochenen Tonkrügen und Scherben anderer zerstörter Gegenstände – nichts, was ihnen auch nur annähernd von Nutzen gewesen wäre.
Nokturijè warf einen raschen Blick durch den seitlichen Spalt zwischen Tür und Wand und wandte sich anschließend den beiden Männern zu.
»Nun machen wir es auf meine Weise!«, sagte sie und fasste sich sogleich mit ihrem rechten Daumen und dem Zeigefinger an den linken Daumennagel und zog daran.
Mit erschrockener Miene beobachtete Cameron ihr Handeln. Doch bevor er seinen Ekel in Worte fassen konnte, sah er, dass sich am Nagel ein glühend rotes Band befand, welches die Mè immer weiter aus ihrem Daumen herauszog – so weit, bis sie der Meinung war, dass es für ihr Vorhaben ausreichte.
Das eine Ende zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger und das andere aus ihrem rechten
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