Sternenflut
nahmen dominante Körperhaltungen ein, während andere mit niedergeschlagenen Blicken und hängenden Flossen ihren Aufgaben nachgingen. Rang und offizielle Position hatten damit wenig zu tun. In dieser Hinsicht war es an Bord der Streaker schon immer informell zugegangen. Feine Verlagerungen der Machtstrukturen waren naturgemäß eher als formelle Autoritätsordnungen dazu geeignet, von den Delphinen beachtet zu werden. Jetzt schien sogar Rassismus ein Faktor zu sein. Eine unverhältnismäßig große Anzahl der neuen Autoritätspersonen gehörten zur Untergruppe der Stenos-Fins. Das Ganze kam einem formlosen Putsch gleich. Offiziell handelte Takkata-Jim im Namen des bewußtlosen Creideiki, bis der Schiffsrat zusammentreten könnte. Aber das Wasser in der Streaker schmeckte nach einer Herde mit einem neuen Leit-Fin. Diejenigen, die dem alten Bullen nahegestanden hatten, waren out, und die Spießgesellen des neuen schwammen plötzlich vorneweg.
Akki fand das alles recht unlogisch und ein bißchen widerlich. Es machte ihm deutlich, daß selbst die nach höchsten Standards ausgewählten Fen der Streaker-Crew unter Streß in die uralten Verhaltensmuster zurückfallen konnten. Er sah jetzt, was die Galactics meinten, wenn sie erklärten, dreihundert Jahre des Liftens seien eine zu kurze Zeit, um eine Rasse reif für die Raumfahrt zu machen.
Es war eine schmerzliche Erkenntnis. Akki fühlte sich so sehr wie ein Klient, wie er es in der gemischten, egalitären Kolonie von Calafia nie erfahren hatte.
In einer Hinsicht allerdings war die Entdeckung hilfreich: Sie verschaffte ihm eine tiefe Befriedigung angesichts seines meuterischen Aktes. Legalistisch betrachtet, beging er ein schwerwiegendes Verbrechen, indem er das Schiff gegen die ausdrückliche Anweisung des kommissarischen Kapitäns verließ, um Verbindung mit Gillian Baskin aufzunehmen. Aber Akki spürte jetzt, daß er die Wahrheit kannte. Er gehörte zu einer Crew aus Raumfahrerimitationen. Wenn Creideiki nicht auf wunderbare Weise genäse, würden sie aus eigener Kraft und ohne die Intervention ihrer Patrone aus diesem Schlamassel nicht wieder herausfinden. Dabei dachte er nicht an Ignacio Metz und auch nicht an Emerson D’Anite oder Toshio. Er stimmte mit Makanee überein, daß ihre einzige Hoffnung in der Rückkehr von Dr. Baskin oder Mr. Orley lag.
Inzwischen hatte er sich damit abgefunden, daß Orley verschollen war. Der Rest der Mannschaft glaubte es auch, und dies war ein weiterer Grund dafür, daß die Moral der Leute zum Teufel gegangen war, nachdem Creideiki den Unfall gehabt hatte.
Aus dem Kabel strahlte ein Trägerton direkt in seinen statoakustischen Nerv, während Akki ungeduldig auf Gillians und Toshios Rückkehr wartete. Die Leitung wurde im Augenblick von niemand anderem benutzt, nachdem Charles Dart sich zurückgezogen hatte, aber jede Sekunde, die verstrich, vergrößerte das Risiko, daß der diensthabende Kommunikations-Fin an Bord die Resonanz seiner Zwischenschaltung entdeckte. Akki hatte dafür gesorgt, daß man sein Gespräch mit Toshio nicht abhören konnte, aber die Nebeneffekte würden selbst einem stumpfsinnigen KommSek-Fin auf die Dauer nicht entgehen können.
Wo bleiben sie nur? fragte er sich. Sie müssen doch wissen, daß ich nicht unbegrenzt viel Luft habe! Und dieses metallhaltige Wasser läßt meine Haut jucken. Akki atmete langsam, um sich zu beruhigen. Ein Lehrvers aus dem Keneenk ging ihm durch den Sinn.
»Vergangenheit« ist das, was war –
der Nachhall heißt Erinnerung...
Und in ihr finden wir die »Gründe« –
dessen, was jetzt ist.
Die »Zukunft« ist das, was sein wird –
erdacht und sehen gesehen...
In ihr liegen die »Ergebnisse« –
dessen, was jetzt ist.
Die »Gegenwart« ist dieser schmale Streif –
vergänglich, flackernd stets...
Sie ist Beweis nur für den »Witz« –
dessen, was jetzt ist.
Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart gehörten zu den schwierigsten Begriffen, die sich auf Trinär explizit ausdrücken ließen. Der Vers sollte die Vorstellung von Kausalität erhellen, wie sie die Patrone und die meisten der anderen Sophonten sahen, und gleichzeitig den essentiellen Glauben an die Lebenssicht der Cetaceen erhalten.
Das alles war Akki so einfach erschienen. Manchmal fragte er sich, weshalb einige dieser Delphine von der Erde so große Probleme mit solchen Ideen hatten. Man dachte, man stellte sich Handlungen und ihre Konsequenzen vor, erwog, wie die unterschiedlichen
Weitere Kostenlose Bücher