Sternenflut
Sah’ot begriff, daß er – allen seinen früheren Anstrengungen, ihren Widerstand zu brechen, zum Trotz – ihre Veränderung nicht gewollt hatte. Zumindest nicht in dieser Weise. Unglücklich trieb er dahin, bis ein Kabel von einem der Schlitten ihn aufhielt. Seine neue Aufgabe erforderte, daß er mit dieser elektrischen Obszönität verbunden blieb, eingepfercht und zusammengezwängt in diesem winzigen Tümpel, während doch seine eigentliche Arbeit draußen im offenen Meer und bei den Präintelligenzen war!
Als Gillian und Keepiru die Insel verließen, hatte er angenommen, er würde in ihrer Abwesenheit mehr oder weniger tun können, was er wollte. Hah! Kaum waren der Pilot und die Ärztin verschwunden, da war Toshio – ausgerechnet Toshio! – gekommen und hatte das Kommando übernommen. Ich sollte ihn doch in Grund und Boden quatschen können! Wie konnte er nur die Oberhand gewinnen? Er konnte sich nicht so recht daran erinnern, wie es gekommen war. Aber jetzt war er hier, in den Monitor eines verdammten Robots geschaltet, und das alles für einen aufgeblasenen, egozentrischen Schimpansen, der sich nur für Steine interessierte! Der dämliche kleine Robot hatte nicht mal ein Gehirn, mit dem man SPRECHEN konnte! Man unterhält sich nicht mit Mikroprozessoren. Man sagt ihnen, was sie tun sollen, und dann betrachtet man hilflos die Katastrophe, wenn sie buchstabengetreu gehorcht haben.
Sein Geschirr summte. Es war Zeit, die Sonde zu kontrollieren. Sah’ot klickte eine sarkastische Erwiderung.
Aber freilich
Herr und Meister!
Eisenschwachkopf
Hirn voll Kleister!
Pfeif nach mir
schon bin ich hier!
Sah’ot brachte sein linkes Auge auf die Höhe des Monitors am Schlitten. Er sandte einen Codepuls an den Robot, und ein Strom von Daten kam daraufhin zurück. Die Sonde hatte die jüngste Gesteinsprobe endlich verdaut. Er befahl ihr, die Daten des kleinen Speichers in die Datenbank des Schlittens zu transferieren. Toshio hatte ihn gedrillt, bis Sah’ot die Sonde beinahe im Schlaf hätte steuern können. Er wies den Robot an, sich mit dem einen Ende einer Monofasertrosse am rauhen Felsgestein zu verankern und sich dann um weitere fünfzig Meter abzusenken.
Die alte Erklärung für das Loch unter dem Metallhügel hatte man verworfen. Es war undenkbar, daß der Bohrbaum einen kilometertiefen Tunnel hatte graben müssen, um Nährstoffe zu finden. Eigentlich sollte er die Kruste gar nicht so weit durchbohren können. Die Masse der Bohrwurzel war unzweifelhaft zu groß, als daß der bescheidene Baum, der einmal auf dem Gipfel des Hügels gestanden hatte, sie hätte drehen können.
Die Menge des ausgebohrten Materials hätte für zehn Metallhügel gereicht. Überall auf dem hochgelegenen Riff, auf welchem sich der Hügel erhob, war sie als Sediment zu finden.
Sah’ot war von diesen Geheimnissen nicht fasziniert. Sie waren nur ein neuer Beweis dafür, daß das Universum unheimlich war und Menschen, Delphine und Schimps vielleicht noch ein Weilchen warten sollten, ehe sie sich mit seinen verzwickteren Puzzles beschäftigten.
Der Robot beendete seinen Abstieg. Sah’ot befahl ihm, die mit Diamantkrallen versehenen Greifklauen auszustrecken, sich damit an die Schachtwand zu klammern und schließlich die Trosse von oben einzuholen.
Schrittweise würde das Ding immer tiefer sinken. Für diese kleine Maschine würde es keinen Aufstieg mehr geben. Manchmal verglich sich Sah’ot mit ihr, vor allem, seit er hier auf Kithrup war. Er rechnete eigentlich nicht damit, daß er diese tödliche Welt je wieder verlassen würde.
Zum Glück arbeitete die Sonde mit ihren Gesteinsproben automatisch, wenn sie einmal in Gang gesetzt war. Sogar Charles Dart würde kaum einen Vorwand zum Klagen finden. Es sei denn...
Sah’dt fluchte. Da war es wieder, das statische Rauschen, das die Übertragungen der Sonde störte, seit sie die Fünfhundert-Meter-Marke überschritten hatte. Toshio und Keepiru hatten alles untersucht, aber sie hatten nicht feststellen können, wo das Problem lag.
Das Knistern war anders als jedes Störgeräusch, das Sah’ot bisher gehört hatte, allerdings war er in diesen Dingen kein Experte. Es war irgendwie synkopisch und eigentlich gar nicht so unangenehm anzuhören. Sah’ot hatte gehört, daß es Leute gab, die gern Weißes Rauschen hörten. Etwas Anspruchsloseres ließ sich gewiß nicht denken.
Die Uhr an seinem Geschirr tickte. Sah’ot lauschte dem Rauschen und dachte an Perversitäten, an
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