Sternenflut
»Ziemlich verbeult, aber man kann es trotzdem erkennen. Sehen Sie? Da sind keine Objektivitätsanker, nur Stasisprojektoren an den Hauptflanschen. Die Thennanin haben schreckliche Angst vor Realitätsveränderungen. Dieses Schiff ist nicht dafür gebaut, einen Wahrscheinlichkeitsantrieb zu verwenden. Es sind Thennanin, möglicherweise auch Thennaninklienten oder -verbündete.«
Die Delphine kreisten langsam in der Nähe, wechselten sich an den Luftkuppeln unter dem Schlitten ab und gaben aufgeregte Sonarklicks von sich, während sie die gigantische, zerschmetterte Pfeilspitze unter ihnen beäugten.
»Ich glaube, Sie haben recht, Hannes«, meinte Tom. »Es ist ein Behemoth.«
Erstaunlicherweise war das Schiff nicht auseinandergebrochen. Bei seinem Mach-Fünf-Zusammenstoß mit dem Ozean war es von mindestens zwei unter dem Meeresspiegel liegenden Hügeln abgeprallt und hatte beachtliche Scharten in ihnen hinterlassen. Es hatte eine tiefe Rinne in den Meeresboden gepflügt und war dann in einem Schlickhaufen steckengeblieben, kurz bevor es an einer steilen Klippe zerschellen konnte. Das Riff machte einen bröckeligen, wenig haltbaren Eindruck. Eine kräftige Erschütterung würde es zusammenbrechen lassen, und dann würde es das Wrack unter sich begraben. Orley wußte, daß es an der Qualität der Stasisschilde lag, die die Thennanin verwendeten. Die hielten solche Belastungen aus. Selbst ein sterbendes Thennanin-Schiff, so hieß es, brauchte man nicht von seinen Leiden zu erlösen. Im Kampf waren sie langsam und schwerfällig- und ebenso schwer außer Gefecht zu setzen wie eine Kakerlake.
Vorerst konnte man den Schaden kaum überblicken. Hier unten war das Licht, das von der Oberfläche herabdrang, bläulich und matt. Die Fen würden die installierten Bogenlampen erst einschalten, wenn Tsh’t sich vergewissert hatte, daß keine Gefahr drohte. Zum Glück war das Wasser hier flach genug, um das Wrack erreichen zu können, und zugleich tief genug, um sie vor Späheraugen am Himmel zu verbergen. Eine rosabäuchige Flaschennasenfrau schwamm neben den Schlitten. Sie bewegte ihren Schnabel in nachdenklichen Kreisbewegungen.
»Es ist wirklich verblüffend, nicht wahr, Tom?« meinte sie. »Eigentlich müßte esss in eine Trillion Stücke zersprungen sein.«
In dieser Tiefe war ihre Stimme von merkwürdiger Klarheit. Luftströme aus ihrem Blasmund und Sonarklicks verbanden sich zu einem komplexen Muster, das die Sprache zu einem verwickelten Jonglieren mit Körperfunktionen machte. Für die Ohren einer menschlichen Landratte klang ein Neo-Delphin, der unter Wasser sprach, wie ein Avantgarde-Orchester beim Stimmen der Instrumente.
»Meinen Sie, wir können etwas davon gebrauchen?« fragte der FinOffizier.
Orley betrachtete das Schiff. Es war leicht möglich, daß im Schlachtengetümmel keiner der Kämpfenden über Kithrup darauf geachtet hatte, wo dieser Sperling abgestürzt war. Er hatte schon ein paar Ideen, und eine oder zwei davon waren vielleicht dreist, überraschend und idiotisch genug, um zu funktionieren.
»Sehen wir’s uns mal an«, antwortete er. »Ich schlage vor, wir bilden drei Teams. Team eins nimmt sich alle Strahlenquellen vor, insbesondere Wahrscheinlichkeits-, Psi- oder Neutrinostrahlung, und schaltet sie aus. Außerdem sollte es nach Überlebenden Ausschau halten, obwohl ich kaum glaube, daß es welche gibt.«
Suessi schnaubte, als sein Blick über das schwer mitgenommene Wrack wanderte. Orley fuhr fort. »Team zwei konzentriert sich auf das Ausschlachten. Hannes sollte dabei die Führung übernehmen, zusammen mit Titcha. Sie sollen nach Feinmetallen suchen, für die wir auf der Streaker Verwendung haben könnten. Mit etwas Glück finden sie vielleicht Ersatz für die Spulen, die wir brauchen. Mit Ihrer Erlaubnis, Tsh’t, übernehme ich Team drei. Ich möchte mich von der strukturellen Unversehrtheit des Schiffes überzeugen und die Topographie der Umgebung studieren.« Tsh’t klappte zustimmend mit den Kiefern. »Das ist gute Logik, Tom. So werden wir es angehen. Ich werde Lucky Kaa als Wache bei dem anderen Schlitten zurücklassen. Der Ressst bildet unverzüglich diese Teams.«
Orley ergriff Tsh’ts Rückenflosse, als sie sich anschickte, den Befehl hinauszupfeifen. »Oh, vielleicht sollten wir besser alle die Atmer anlegen, nicht wahr? Trinär ist vielleicht nicht so effizient, aber mir ist es lieber, wir verschieben komplizierte Unterredungen auf Anglisch, als zu riskieren, daß ständig
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