Sternenflut
wie Wattaceti, die den vielbeschäftigten Captain veranlaßte, sich die Zeit für diesen Unterricht zu nehmen.
Creideiki nickte. »Ganz recht. Nun, und an welche Art von Reflexen würde ein Mensch als erstes denken?«
»An das Abbild des Lichtes von oben«, antwortete S’tat, der Chef der Messe, ohne zu zögern.
»Höchstwahrscheinlich, obgleich wir wissen, daß selbst manche der ›Großohren‹ irgendwann hören lernen.« Allgemeines Gelächter erhob sich bei dieser harmlosen kleinen Verspottung der Patronatsrasse. Das Gelächter war ein Maßstab für die Moral der Crew, und er maß sie, wie er die Masse einer Treibstoffzelle abschätzte, indem er sie zwischen die Kiefer nahm.
Zum ersten Mal sah Creideiki auch Takkata-Jim und K’tha-Jon, die sich zu der Gruppe gesellt hatten. Ein kurzes Aufwallen von Besorgnis wischte der Captain beiseite. Takkata-Jim hätte ihm ein Zeichen gegeben, wenn etwas passiert wäre. Anscheinend war er nur gekommen, um zuzuhören. Wenn dies ein Zeichen dafür sein sollte, daß der Vize-Captain sein langes, unerklärliches Schmollen zu beenden gedachte, dann würde Creideiki sich darüber freuen. Er hatte TakkataJim an Bord behalten, anstatt ihn mit Orley und der Rettungsmannschaft hinauszuschicken, weil er seinen Vertreter im Auge behalten wollte. Gegen seinen Willen war ihm der Gedanke gekommen, daß es möglicherweise an der Zeit sein könne, die Befehlshierarchie zu verändern. Er wartete, bis das Gekicher verstummt war. »Und jetzt denkt nach. In welcher Hinsicht sind die Gedanken eines Menschen angesichts der Reflexe auf der Oberfläche des Wassers den euren ähnlich?«
Die Schüler zeigten sich konzentriert. Dies würde das vorletzte Problem sein. Creideiki hatte so viele Reparaturarbeiten zu beaufsichtigen, daß er sich versucht gefühlt hatte, die Sitzungen überhaupt abzusagen. Aber es gab so viele in der Besatzung, die unbedingt Keneenk erlernen wollten. Zu Beginn der Reise hatten fast alle Fen an den Kursen, den Spielen und athletischen Wettkämpfen teilgenommen, die dazu dienten, das verdrießliche Einerlei einer Raumreise aufzulockern. Aber seit jener entsetzlichen Episode im Seichten Sternenhaufen, bei der ein Dutzend Crew-Fen anläßlich der Erforschung der verlassenen Flotte verlorengegangen war, hatten manche begonnen, sich aus der Bordgemeinschaft abzusondern und kleine Gruppen zu bilden. Einige zeigten sogar einen merkwürdigen Atavismus: Sie hatten wachsende Schwierigkeiten mit dem Anglischen und mit jener Art des konzentrierten Denkens, das ein Spacer benötigte.
Creideiki hatte sich gezwungen gesehen, mit den Dienstplänen zu jonglieren, um für den einen oder anderen Ersatz zu finden. TakkataJim hatte er mit der Aufgabe betraut, Beschäftigungen für die Regressiven zu finden. Dieser Auftrag schien dem Vize-Captain zu behagen. Mit der Hilfe des Bootsmanns K’tha-Jon hatte er auch für die am schlimmsten betroffenen noch nützliche Arbeit finden können.
Aufmerksam lauschte Creideiki dem Säuseln der Flossen, dem unbehaglichen Gurgeln der Kiemenlungen, dem Rhythmus der Herzschläge. Takkata-Jim und K’tha-Jon schwebten schweigend im Raum. Anscheinend hörten sie interessiert zu. Aber Creideiki spürte eine unterschwellige Spannung in beiden.
Ein Schauder überlief ihn. Vor seinem geistigen Auge waren plötzlich in lebhaften Farben das verschlagene, mürrische Auge des VizeCaptains und die mächtigen scharfen Zähne des Bootsmanns erschienen. Er verdrängte dieses Bild und schalt sich selbst für seine überaktive Phantasie. Es gab keinen logischen Grund, auch nur einen dieser beiden zu fürchten! »Wir betrachten die Reflexe von einer Schnittfläche zwischen Luft und Wasser.« Hastig nahm er seinen Vortrag wieder auf. »Sowohl Menschen als auch Delphine denken an eine Barriere, wenn sie eine solche Fläche betrachten. Auf der anderen Seite liegt ein Bereich, der nur schwach sichtbar ist, bis man diese Barriere überquert. Aber der moderne Mensch mit seinen Werkzeugen fürchtet sich nicht mehr vor der Wasserseite, wie er es einst tat. Und der Neo-Fin kann mit seinen Werkzeugen an der Luft leben und arbeiten und ohne Unbehagen hinunterschauen.
Nun überlegt, wohin eure eigenen Gedanken sich bewegten, als ich euch meine ursprüngliche Frage stellte. Die Vorstellung von Klang, der, von unten kommend, reflektiert wird, kam euch als erstes in den Sinn. Unsere Ahnen hätten sich mit dieser ersten Verallgemeinerung begnügt, aber ihr habt euch damit noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher