Sternenjagd
Ich erzähle Ihnen das alles, weil es genau das gleiche ist was ich auch dem Kapitän und Barak erzählt habe. Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren. Warum glauben Sie, daß der Kapitän sich so lange in seiner Kabine verkriecht? Er kann das Schiff nicht führen… und er weiß es. Sie waren von Anfang an dabei, Leitender. Es gab keine Moral. Der Kapitän und ich, wir haben lange Stunden zusammengesessen und über die Probleme an Bord gesprochen. Er hat getrunken und sinniert und noch mehr getrunken, und ich habe getrunken und zugehört und noch mehr getrunken. Er war unglücklich, weil man ihm dieses Kommando gegeben hatte, und ich war unglücklich, daß man es mir nicht gegeben hatte – er wollte es nicht ich wollte es, und als wir uns darüber klargeworden waren, akzeptierten wir es endlich. Ich weiß, es fällt Ihnen schwer, das zu glauben, Leitender, aber auch Offiziere sind Menschen. Manchmal jedenfalls. Aber vielleicht nur in Gegenwart anderer Offiziere. Sie sind die einzigen, denen wir vertrauen dürfen. Also da waren wir, zusammen auf diesem Schiff, und jeder wünschte sich, den Platz mit dem anderen zu tauschen… ich schätze, ich sollte nicht so offen sein, aber… ach was, zur Hölle! Mit einemmal erkannte ich, daß all dieses psychonomische Zeug, das ich über Gruppendynamik gelernt hatte, auf seine Anwendung wartete. Der Kapitän und ich entwickelten einen Plan, der aus der Verzweiflung geboren wurde: Er würde sich in seinen ›Olymp‹ zurückziehen und Zeus spielen – einen Gott rätselhaft distanziert undurchschaubar, meist wohlwollend, aber hin und wieder auch gefährlich. Das war der Eindruck, den die Mannschaft von ihm gewinnen sollte. Je mehr er sich im Hintergrund hielt desto wohlwollender wurde er in ihren Augen, weil er so wenig Einfluß auf ihre Belange nahm. Ich auf der anderen Seite wurde immer mehr zu einem Zuchtmeister, einem unbeliebten, manipulierenden, großspurigen… nun, Sie wissen schon. Ich war kein netter Mensch, nicht wahr? Das war meine Rolle. Die daraus entstandene Dynamik war nicht ungefährlich, und sie war nur schwer zu kontrollieren, aber die Situation erforderte drastische Maßnahmen. Ich denke, wir verlieren diesen Krieg. Ich weiß nicht wieso, aber Sie wissen selbst was geschieht wenn eine Seite verzweifelt. Man tut verzweifelte Dinge und hofft auf Wunder. Wir – unser Schiff Burlingame – befinden uns auf einer verzweifelten Mission. Wenn wir überleben wollen, dann müssen wir verzweifelt handeln. Ich habe Angst auf diesem Schiff zu sein. Leen. Ich will nicht sterben. Aber wir haben keine Chance, in einer richtigen Schlacht gegen ein feindliches Schiff zu bestehen. Die Roger Burlingame ist alt und schwerfällig und langsam, und der Feind wird ganz gewiß keine Schiffe, die noch schwächer sind als wir, in Gegenden schicken, die so stark patrouilliert werden – so vermutet er zumindest – wie dieser Sektor hier. Ich habe den Überblick über all die Manöver verloren. Aber der Feind soll denken, daß dieser Raumsektor stark überwacht wird, zu gut verteidigt um verletzlich zu sein. Doch der Plan hat einen Fehler, Leitender. Wenn der Feind sich entschließt herauszufinden, wie stark diese Verteidigung wirklich ist selbst wenn es nur eine Finte ist dann wird er ganz gewiß kein schwaches Schiff aussenden. Er wird das Gebiet mit einem… unüblichen Schiff testen. Einem starken Schiff. Einem Schiff, das ganz sicher stark genug sein wird, um uns zu zerstören.« Korie schöpft Atem, bevor er mit eigenartig düsterer Stimme fortfährt: »Und ich, ich wollte – will noch immer – diesen Krieg überleben. Und der einzige Weg dazu führte über eine gnadenlose Brutalisierung der Mannschaft so daß sie sich zusammenschloß, und diesen Zusammenschluß dann in Stolz über das Erreichte zu verwandeln. Ich erzählte es Barak, und er verstand meinen Plan. Das ist es, was wir Barak in der Kapitänskabine sagten, der Kapitän und ich. Barak hat etwas sehr Gefährliches getan. Beinahe wäre es ihm gelungen, eine großangelegte psychonomische Matrix zu zerstören. Das ist unser wirkliches Problem. Die Zerbrechlichkeit der Gamma-Einheits-Matrix.«
»Aber… aber Sie haben sich mit dem Kapitän gestritten, Sir…!«
»Er hat seine Zweifel, wie jeder andere auch, natürlich. Jeder Mensch hat Zweifel, Leitender. Auch ich hatte meine Zweifel. Aber ich hatte recht. Und ich hätte gewinnen können, Mister Leen, ich hätte gewinnen können. Wenn Barak nicht eingegriffen hätte,
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