Sternenkinder
ziemlich wohl – vielleicht wissen Sie, dass sie von einer kalten Welt kamen, noch kälter als der Pluto. Und ihre Technologie, so weit wir sie wieder herstellen konnten, leistet ihnen gute Dienste.«
»Aber warum das Ganze?«
»Weil die Geister eine wertvolle Ressource sind.«
Die Geister waren… seltsam.
Bereits in der Frühzeit ihrer Geschichte war ihre Sonne erloschen und ihre Welt gefroren. Das Universum hatte sie im wahrsten Sinn des Wortes betrogen – was ihnen gezeigt hatte, dass das Universum strukturelle Mängel aufwies. Folglich zielte ihre Wissenschaft darauf ab, diese Mängel zu beheben. Sie führten ungeheuer ehrgeizige experimentelle Programme durch. Die Menschen hatten jedenfalls allen Grund, sie zu fürchten, bevor sie vernichtet wurden.
»Vor langer Zeit beschlossen die Koalitionsräte, die – äh - Genialität der Geister zu reaktivieren, um sie als Motor von Ideen, als Ressource zum Vorteil der Menschheit zu nutzen«, berichtete Draq. »Das hat man während der Assimilation auch mit anderen Gattungen immer wieder so gemacht, wissen Sie. Weshalb also nicht auch mit den Geistern?«
»Eine Ressource, die Sie verbergen mussten«, sagte Pirius.
»Ja! Aus Sicherheitsgründen – und zwar sowohl zum Schutz der Menschheit vor den Geistern als auch umgekehrt. Und um es dementieren zu können – ich will nicht so tun, als ob es sich nicht so verhielte. Aber Sie sind wegen der Geister hier, ob Sie es wissen oder nicht, Kommissar. Die Gravastar-Idee stammt von ihnen… «
»Diese ›wertvolle Ressource‹ kann sprechen«, sagte Mara kalt.
Der Geist schwebte ausdruckslos vor ihnen. Sein Aussehen änderte sich nicht, wohl aber die Grammatik der Gruppe. Auf einmal war der Geist kein Objekt mehr, sondern eine Person, ein Wesen, das etwas zu dem Gespräch beisteuern konnte.
Nilis trat an die silberne Haut heran. Seine virtuelle Projektion erzeugte ein verschwommenes Spiegelbild auf dem Bauch des Geistes. »Ja, er kann sprechen, nicht wahr? Wie ich sehe, hat er eine Translatorbox am Gürtel.« Er blieb vor dem Geist stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. »Du da! Geist!«
Mara sagte: »Sie brauchen nicht zu schreien, Kommissar.«
»Hast du einen Namen?«, fragte Nilis.
Die Stimme des Geistes war synthetisch, eine neutrale weibliche Stimme, die von seiner Translatorbox generiert und in ihre Empfangsgeräte übertragen wurde. »Man nennt mich ›Botschafter in der Wärmesenke‹.«
Nilis machte ein verblüfftes Gesicht. Er stupste die Haut des Geistes an, aber sein virtueller Finger glitt in die spiegelnde Fläche und zerfiel in Pixel. »Und weißt du auch, was dieser Name bedeutet?«
»Nein«, sagte der Geist unverblümt. »Ich bin eine Rekonstruktion. Ein biologisches Echo meiner Ahnen. Wir haben Aufzeichnungen, aber kein Gedächtnis. Es kann keine echte kulturelle Kontinuität geben.«
Nilis nickte kalt. »Trotz unseres ganzen Einfallsreichtums lässt sich eine Ausrottung nicht mehr ungeschehen machen.«
»So ist es«, sagte der Geist schlicht.
Maras Miene war düster. »Was sagen Sie nun, Ensign?«
Pirius sprach, ohne nachzudenken. »Die Geister haben Millionen von uns getötet.« Er wandte sich dem Geist zu. »Es freut mich, dass du ein Bewusstsein besitzt. Es freut mich, dass du über die Eliminierung deiner Gattung Bescheid weißt. Es freut mich, dass du leidest.«
Der Geist antwortete nicht.
Maras düsterer Blick ruhte auf Pirius. Er musste wegschauen, verwirrt von dem Aufruhr in seinem Innern.
Der Geist schien Nilis zu faszinieren; die Neugier des Wissenschaftlers gewann die Oberhand über die Ideologie des Kommissars. »Wenn du nicht weißt, wer du bist, weißt du dann wenigstens, was du willst?«
»Euch dienen«, sagte der Geist.
22
Es dauerte zehn Stunden, bis ein Landeboot sie vom Fabrik-Stein abholte. Pirius Blau und seine zwei verwundeten Schützlinge verbrachten diese Zeit dicht zusammengedrängt in den Ruinen der Xeelee-Stellung.
Als der Soldat vom Sanitätskorps aus seinem kleinen Boot stieg, war er überrascht, sie anzutreffen. Die drei waren die einzigen Überlebenden zweier Züge. »Du bist bestimmt der glücklichste Mensch der Welt«, sagte der Sanitäter.
»Ja, das bin ich bestimmt«, sagte Pirius Blau.
Cohls Verletzung war nicht zu übersehen; Tili Drei hatte immer noch einen schweren Schock. Der Sanitäter sagte, er müsse den gesunden Pirius von Cohl und Tili Drei trennen; sie sollten unterschiedliche »Bearbeitungsprozeduren« durchlaufen,
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