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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufgeweckten, fröhlichen Kind, das sein Leben in intimer Gemeinschaft mit den verlorenen Schwestern verbracht hatte; jetzt, wo sie allein war, magerte sie ab und bekam tiefe Ringe unter den Augen.
    Pirius wünschte sich sehnlichst, er könnte sie trösten. Aber er wusste nicht, wie. Tili hätte durchaus auch ums Leben kommen können, sagte er sich, wenn er nicht gewesen wäre. Weshalb wurde er dann von solch unvernünftigen Schuldgefühlen geplagt? Und wie konnte ihn der Verlust von zwei Soldaten dermaßen quälen, wenn – zählte man all die Verluste in der Umgebung der Front zusammen – zehn Milliarden pro Jahr starben? Es ergab keinen Sinn, aber es schmerzte trotzdem.
    Gelähmt von seinem eigenen Kummer und seiner Unsicherheit, ließ er sie letzten Endes in Ruhe.
     
    Diese Bürde Wird Vergehen war ebenfalls auf dem Fabrik-Stein gewesen, jedoch abseits des zentralen Kampfgeschehens, und sein Zug hatte nur einen Verwundeten zu beklagen. Er hatte das alles schon durchgemacht.
    Und genau wie der Sanitäter im Landeboot erklärte ihm auch Bürde, dass es immer so war. »Sie zerhacken die Züge und legen uns dicht zusammen, damit wir genauso eng aufeinander hocken wie zuvor. Bald sieht man die großen, hohlen Räume mit all den Reihen leerer Kojen nicht mehr. Man vergisst. Das geht ganz automatisch.« Während er sprach, hatte er den Mund voller Naschkram.
    »Es ist aber nicht mehr dasselbe«, widersprach Pirius. »Nicht, sobald man draußen gewesen ist. Unmöglich.«
    »Rede nicht drüber«, warnte ihn Bürde. »Hier in der Kaserne bist du in Sicherheit. Es ist, als wäre das, was draußen passiert, nicht wirklich – jedenfalls solange man nicht darüber redet. Wenn man es doch tut, lässt man ihn rein, den ganzen Horror, verstehst du.« In seinem Gesicht arbeitete es kurz, und Pirius fragte sich, was er ungesagt ließ.
    »Ich versteh dich nicht, Bürde. Du warst jetzt sechsmal im Feld. Sechsmal. Wenn das alles keine Rolle spielt, wenn die Doktrinen für dich ein Witz sind – weshalb setzt du dann immer wieder dein Leben aufs Spiel?«
    »Ganz egal, was ich glaube, welche Wahl habe ich denn? Wenn du vorwärts gehst, wirst du höchstwahrscheinlich erschossen. Wenn du zurückweichst, wenn du dich weigerst, kommst du vors Kriegsgericht, wirst verurteilt und sowieso erschossen. Also, was soll man tun? Man geht vorwärts, weil man in diesem Krieg nur auf eins schießen kann, nämlich auf einen Xeelee. Wenn du vorwärts gehst, hast du wenigstens eine Chance. Das ist alles, im Ernst.« Mehr wollte er nicht sagen.
    Bürdes Widersprüche stellten Pirius vor ein Rätsel. Bürde wirkte gefasst und ausgeglichen. Hinter seiner Fassade der Gläubigkeit schien er nüchtern und zynisch zu sein und mit einer gewissen schonungslosen Klugheit Bescheid zu wissen, wie man beim Militär überlebte. Er besaß Glaubensund auch Charakterfestigkeit, zwei Eigenschaften, die er erneut in der denkbar schwierigsten Arena zur Schau gestellt hatte. Aber manchmal ertappte ihn Pirius dabei, wie er ihn oder Cohl beinahe sehnsüchtig ansah, als wäre es sein größter Wunsch, akzeptiert zu werden, wie ein unbeliebter Kadett in einer Kasernenkugel der Bogen-Basis.
    Und Pirius bemerkte, dass Bürde in dieser seltsamen Zeit nach dem Einsatz zwanghaft aß. Er verschlang so viel von den Belohnungsrationen, wie er bekommen konnte, und schien in diesen ersten Tagen permanent etwas im Mund zu haben. Einmal sah Pirius, wie er sich zum Erbrechen brachte: die alte Methode, Finger in den Hals.
    Bürdes Mischung aus Stärke und Schwäche war einfach unergründlich.

 
23
     
     
    Fünf Tage später saß Pirius Rot immer noch auf dem Pluto fest.
    Während Nilis mit den Plutinos zusammenarbeitete, hing Pirius mit der Besatzung in der spartanisch ausgestatteten Korvette herum. Die beiden Marinepilotinnen hießen Molo und Huber. Sie weigerten sich kategorisch, auch nur einen Fuß auf diese finstere kleine Welt zu setzen. Sie arbeiteten, aßen und schliefen in ihren Abteilen. Ihr einziges Interesse galt den Reisen, die Ziele waren ihnen gleichgültig: Sie waren Pilotinnen.
    Allerdings hatten sie Gerüchte über das Projekt Hauptradiant gehört – und hielten es für Zeitverschwendung. Soweit Pirius erkennen konnte, glaubten sie, die Xeelee würden ohnehin ein Mittel gegen alles finden, was man sich ausdachte. Man werde die Xeelee niemals besiegen, sagten sie. Das schien die vorherrschende Meinung hier im Sonnensystem zu sein.
    Natürlich gab es eine gewaltige Kluft

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