Sternenkinder
herauskommen, um zwischen den Welten hin und her zu segeln und neue Netze zu bauen.«
»Frühling? Wann ist das?«
»Oh, ungefähr in siebzig Jahren…«
Der Flitzer hob seidenweich ab.
Lautlos flogen sie durch die Geometrie der Doppelwelten.
Pirius, der sich von der plaudernden Gruppe zurückzog, verbrachte die Reise damit, eine lange virtuelle Botschaft an Torec zu erstellen, die beim Saturn festsaß, wo sie immer noch an der Entwicklung des GZK-Prozessors arbeitete. Er errichtete einen Schallschutzmantel um sich herum, damit die Plutinos es ihm nicht übel nahmen, was er über sie zu sagen hatte.
Als die voll gestopfte kleine Maschine schließlich mit dem Abstieg begann, war Charon längst hinter dem Horizont verschwunden. Außer dem holprigen, uralten Boden gab es nichts zu sehen. Vor dem Flitzer stieg das Gelände jedoch zu einer Anhöhe an. Dahinter befand sich augenscheinlich der Grund für ihre weite Reise.
»Von hier aus gehen wir lieber zu Fuß, statt zu fliegen«, schlug Draq vor. »Am besten, Sie kommen persönlich in unser Zentrum. Es gibt doch nichts Faszinierenderes als eine echte menschliche Erfahrung – finden Sie nicht auch, Kommissar?«
Pirius war froh, seinen Hautanzug verschließen zu können, der nur nach ihm roch. Aber der Kommissar sträubte sich wie üblich und beharrte darauf, dass ihm eine virtuelle Projektion durchaus genügen würde.
Also betrat Pirius die Oberfläche einer weiteren Welt. Sol stand auf halber Höhe am Himmel, ein Diamant aus Licht.
Er machte ein paar prüfende Schritte. Die Schwerkraft betrug nur ein paar Prozent der Normalschwerkraft. Das Eis knirschte, als es zusammengepresst wurde, aber der rissige Boden trug sein Gewicht. Das Pluto-Eis war von einem satten Karmesinrot mit purpurroten organischen Spuren. Er erkannte undeutlich Muster im Eis; sie ähnelten einem Flachrelief, tellergroße Scheiben mit den komplexen Verzweigungen von Schneeflocken. Die Isolierung des Anzugs war gut, aber er gab trotzdem so viel Wärme ab, dass um seine Fußstapfen herum zischende Stickstoffwolken emporstiegen.
Die Gruppe machte sich an den Aufstieg auf die niedrige Anhöhe. Sie waren zu fünft auf dem Eis, wenn man Nilis mitrechnete. Draq ging voran, und Pirius und Nilis folgten ihm mit zwei anderen Plutinos, darunter Mara, die neben Pirius herging. Nilis schwebte gelassen ein paar Zentimeter über dem Eis, barfuß und ohne Gesichtsmaske; auch diesmal ignorierte er wieder fröhlich alle virtuellen Protokolle. Es war äußerst unhöflich, dachte Pirius verärgert. Aber die Plutinos waren selbst zu höflich oder zu eingeschüchtert, als dass sie sich dazu geäußert hätten.
Wo das Gelände steiler anstieg, war die Frostdecke weggerutscht. Das »Grundgestein« bestand hier aus Wassereis von solcher Kälte, dass es so hart war wie irdischer Granit, und Pirius glaubte, die Kälte durch die beheizten Sohlen seiner Stiefel fühlen zu können. Aber es war nicht rutschig; bei den Temperaturen des Pluto reichte nicht einmal die Wärme, die sein Anzug abgab, um die Oberfläche zu schmelzen.
Und als Pirius auf das bloße Eis trat, glaubte er, Musik zu hören. Überrascht blieb er stehen. Der Boden wurde von harmonischen Basstönen durchpulst, die er in der Brust zu spüren glaubte. Es war, als hörte er das schlagende Herz des gefrorenen Planeten.
Mara lächelte. »Sie werden schon sehen«, sagte sie.
Sie erreichten den flachen Kamm der Anhöhe. Pirius sah jetzt, dass sie zu einer Reihe niedriger, erodierter Hügel gehörte, die ein Becken umgaben. Es war ein Krater, erkannte er, aber offensichtlich ein sehr alter. Die Unebenheiten der rissigen, aufgewühlten Sohle waren beinahe glatt geschmirgelt. Im Laufe von Jahrmilliarden waren die Überreste der gewaltigen Narbe feiner geworden, die eisigen Randhügel hatten sich entspannt und abgeflacht, und der unsichtbare Hagel kosmischer Strahlen war auf die Kruste geprasselt und hatte sie blutrot gefärbt, wie das Eis von Port Sol.
Und Pirius sah, weshalb er hergebracht worden war. An die Sohle dieses Palimpsestes von einem Krater schmiegte sich eine Stadt.
Zuerst nahm Pirius nur ein blasses, verstreutes Funkeln wahr, als wären Sterne vom stillen Himmel aufs Eis gefallen. Dann merkte er, dass er die Reflektionen der Sterne sah, die von versilberten Gebilden unten im Krater zurückgeworfen wurden.
Er tippte auf sein Visier, um die Vergrößerung zu erhöhen. Das Becken war mit spiegelnden Gebilden bedeckt, die wie Quecksilbertropfen
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