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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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kann in das Fusionsherz der Sonne schauen.«
    So bekam die Venus eine neue Rolle zugewiesen: als Wachturm.
    »Die Alten hielten eine Überwachung der Vorgänge im Innern der Sonne für wichtig – aber nicht für die Sonne selbst. Sterne sind im Grunde ziemlich einfache Maschinen, viel einfacher als etwa Bakterien, und waren schon lange vor der Reise zum ersten extrasolaren Planeten gründlich erforscht worden. Nein, ihr Interesse galt nicht der Sonne selbst, sondern dem, was im Innern der Sonne lag. Dunkle Materie«, sagte Nilis. »Das war es, was Michael Pooles Generation beobachtet hat. Dunkle Materie im Mittelpunkt der Sonne…«
    Auf ihrer Kreisbahn um das Zentrum der Galaxis traf die Sonne auf dunkle Materie. Sie war fast so geisterhaft wie die Neutrinos, und ein großer Teil von ihr wanderte einfach durch die Sonne hindurch. Aber etwas interagierte mit dem dichten, heißen Material im Zentrum der Sonne, verlor Energie und wurde eingefangen. Nilis sagte: »Sie kreist darin, Klumpen dunkler Materie kreisen in der Sonne, selbst im Fusionsherz des Sterns. Erstaunlich, wenn man darüber nachdenkt.«
    Dieses seltsame innersolare, vollständig von der Sonne umschlossene System dunkler Materie sollte die Venus-Station erforschen. Die Dunkelmaterie-Partikel vernichteten einander und setzten dabei weitere Neutrinos frei, die auf der Venus gefangen und analysiert werden konnten.
    »Ich habe mir die Datenströme angesehen«, sagte Nilis. »Es sind Strukturen darin zu erkennen: Klumpen, Aggregate – sogar etwas, das wie zielgerichtete Bewegung aussieht. Manche vermuten, dass es dort drinnen Leben gibt, Lebensformen aus dunkler Materie. Warum nicht, sage ich?«
    Pirius war verwirrt. »Welchen Schaden kann eine Spur dunkler Materie anrichten?«
    »Das weiß ich nicht«, sagte Nilis aufrichtig. »Aber die Alten haben sie offenbar gefürchtet. Im Archiv habe ich Hinweise auf noch weitaus ehrgeizigere Projekte gefunden: genmanipulierte Menschen, die in die Dunkelmaterieströme im Herzen der Sonne eingespeist werden, und so weiter.«
    Und am anderen Ende des Sol-Systems, dachte Pirius, beobachtete Luru Parz, vielleicht selbst eine Überlebende dieser alten Zeiten, noch immer dunkle Materie. Hier gab es ein weiteres tiefes Geheimnis, eine weitere uralte Furcht.
    »Ihr Interesse gilt doch nicht den Vorgängen im Innern der Sonne, Kommissar.«
    »Nein. Aber der primordialen Nukleosynthese.« Das war die andere Neutrino-Quelle. Er sprach vom Urknall.
    Während der Ausdehnung des Universums von seiner anfänglichen Singularität, sagte Nilis, habe die Physik sich rasch entwickelt. In der ersten Mikrosekunde war der Raum mit Quagma gefüllt, einem wimmelnden Magma aus Quarks, als wäre das gesamte Universum ein einziges riesiges Proton. Aber das Universum dehnte sich aus und kühlte sich ab, und am Ende der ersten Sekunde waren die meisten Quarks in baryonischen Partikeln – Protonen und Neutronen – gebunden. Während der nächsten paar Minuten war das Universum ein brodelnder Hexenkessel nuklearer Reaktionen; flüchtige Atomkerne bildeten sich, die – instabil in der grimmigen Hitze – fast sofort wieder zerfielen. Auch Neutrinos waren an diesem aufreibend schnellen Tanz beteiligt.
    Doch als die Temperatur dann weiter sank, wurden einfache Nuklei wie die von Helium auf einmal stabil. Das Universum fror aus. Nur drei Minuten nach der Singularität war das Nukleosynthese-Gestöber vorbei, und der expandierende Raum war mit Wasserstoff und Helium gefüllt. Weitere Nuklei entstanden erst in einer sehr viel späteren Lebensphase des Universums, als sich die ersten Sterne bildeten.
    »Und ohne weitere Nukleosynthese«, sagte Nilis, »interagierten die primordialen Neutrinos nicht mehr mit Materie. Für sie war das erst drei Minuten alte Universum bereits so gut wie transparent. Diese alten Neutrinos durchtränken auch heute noch den Raum. Nun, die Venus bekam den Auftrag, Neutrinos aus der Sonne zu beobachten…«
    »Aber ein Neutrino ist ein Neutrino«, sagte Pirius.
    »Ja. Und diese primordialen Neutrinos erzählen die Geschichte der frühesten Momente des Universums. Und es ist eine Geschichte des Lebens, Pirius.«
    »Des Lebens?«
    »Quagmiten.«
     
    Tatsächlich war es die Analyse der Schäden an Pirius Blaus Grünschiff Assimilator’s Claw gewesen, die Nilis veranlasst hatte, zur Venus zu kommen und sich erste Gedanken über Neutrinos zu machen.
    »Ich hatte eine gründliche forensische Untersuchung deines Schiffes

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