Sternenkinder
weiter zu Atomkernen. Sie waren denkende Wesen, aber gegen das Ende ihrer Welt waren sie machtlos.
»Sie fanden einen Weg, den großen kosmischen Übergang, die Gerinnung ihrer Nährlösung, zu überleben.« Seine wässrigen Augen schauten abwesend drein, während er für Pirius unsichtbare Möglichkeiten erwog. »Ich möchte wissen, was sie sehen, wenn sie uns anschauen. Für sie sind wir kalte, tote Dinge aus totem Material. Das Einzige, was sie sehen, ist hin und wieder ein heller Funke unserer GUT-Antriebe. Und dann kommen sie, um zu fressen und mit uns zu sprechen.«
»Nicht mit uns«, sagte Pirius, »mit unseren Schiffen.«
»Ha!« Nilis schlug sich auf den Schenkel. »Natürlich, natürlich. Ich muss sagen, das ist keine völlig neue Erkenntnis. Quagmiten sind schon früher studiert worden. Die Ergebnisse sind noch vorhanden, wie ich herausgefunden habe, aber sie liegen tief in unseren Archiven verborgen. Manchmal staune ich, wie viel wir vergessen haben, wie wenig wir behalten – und je älter unsere Kultur wird, umso mehr Wissen verlieren wir. Welch ein deprimierender Gedanke!«
Pirius versuchte, ihn wieder zum Thema zurückzubringen. »Ich verstehe nicht, was das mit dem Projekt zu tun hat, Kommissar.«
»Tja, ich auch nicht«, sagte Nilis fröhlich. »Deshalb müssen wir’s rausfinden! Der gekaperte Nachtjäger hat mich darauf gebracht, dass auch die Xeelee Relikte einer früheren kosmischen Epoche sind, noch vor den Quagmiten. Es ist bestimmt kein Zufall, dass wir beide Spezies in großer Zahl um Chandra herum antreffen!« Nilis rieb sich das Gesicht und glättete seine lappige Haut. »Es gibt da eindeutig ein Muster, das wir verstehen müssen. Deshalb habe ich nach Möglichkeiten zur Erforschung des frühen Universums wie diesem Neutrino-Teleskop gesucht. Und ich muss diese Forschungsarbeit weiterführen, muss Daten sammeln und lernen… Doch wenn ich mit meinen Vermutungen Recht habe, stellt sich die Frage nach dem Warum.«
»Warum was?«
Nilis wedelte unbestimmt mit der Hand. »Warum ist das Universum so fruchtbar? Woran liegt es, dass es in jedem Stadium voller Leben und zunehmender Komplexität ist? Das muss nämlich nicht zwingend so sein.« Er beugte sich näher zu Pirius, und seine Stimme bekam einen verschwörerischen Klang. »Die Alten haben viel über diese Dinge nachgedacht, weißt du. Man kann sich durchaus ein Universum vorstellen, in dem es kein Leben gibt, in keinem Stadium. Natürlich gäbe es dort dann niemanden, der es beobachten könnte. Manche Philosophen haben vermutet, dass die Fruchtbarkeit unseres Universums kein Zufall ist. Vielleicht ist diese Fruchtbarkeit auf irgendeine Weise in ihm angelegt oder zumindest nachträglich eingebracht worden. Vielleicht ist das Universum selbst ein riesiges Artefakt, ein technologischer Mutterleib der Raumzeit! Aber diese Ideen wurden wie so vieles andere unterdrückt, als sich die Macht der Koalition festigte. Für eine Menschheit, die knapp der Ausrottung durch die Qax entgangen und entsprechend traumatisiert war, stellte der Gedanke, dass solche Mächte existieren könnten, einfach eine zu große Herausforderung dar. Also hat man die Arbeit von damals vergessen – jedoch nicht vernichtet.«
Pirius wusste inzwischen, dass Nilis die Gewohnheit hatte, seine Forschungen weit über jeden praktischen Nutzen hinaus weiterzuführen. »Und was machen wir nun?«
Nilis verzog das Gesicht. »All diese Ergebnisse sind nur sehr indirekt und basieren auf langen Ketten von Folgerungen. Wir müssen näher an unser Ziel heran. Ich würde Chandra gern auf irgendeine Weise direkt beobachten. Aber ich fürchte, dass ich – oder zumindest ein Teil von mir – dazu ins Zentrum der Galaxis zurückkehren muss.«
Pirius wusste nicht, was er meinte. »Aber, Kommissar – was soll ich dann hier?«
»Der hiesige Stab wird die Arbeit an meiner Quagmiten-Analyse fortsetzen. Ich möchte, dass du mit ihnen zusammenarbeitest. Du kennst dich mit dem Verhalten und den Eigenschaften der Quagmiten aus. Diese Habitat-Bewohner sind ein bisschen theoretisch; vielleicht kannst du ihren Überlegungen etwas Substanz verleihen! Und«, sagte er zögernder, »ich dachte, du hättest vielleicht gern ein bisschen Ruhe, um nachzudenken.«
Pirius nickte. »Oh. Dann ist das hier also eine Strafe für den Pluto.«
»Keine Strafe, ganz und gar nicht. Ich möchte bloß, dass du dich… äh… damit beschäftigst, was deinen Zusammenbruch verursacht hat.«
»Zusammenbruch?«
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