Sternenkinder
brachten das Produkt der Steinbrüche fort. Der weiße Staub bedeckte auch viele der Gebäude; einige von ihnen waren offenbar uralt.
Pirius fragte die Marinecrew, worum es sich bei dem weißen Staub handele. Ihre Antwort lautete kurz und bündig: »Kreide«, ein Wort, das Pirius nichts sagte. Aber sie bezeichneten diese Welt als »die Kohlenstoffmine«, wie auch Darc es getan hatte. Erst später erfuhr Pirius, dass die »Kohlenstoffmine« einmal einen eigenen Namen besessen hatte, einen alten Namen ohne Bezug zu ihrem Verwendungszweck. Früher hatte sie Venus geheißen.
»Na, eine weitere Etappe auf der großen Reise durchs Sonnensystem, Pirius?«
»Nicht freiwillig, Sir.«
»Natürlich. Na gut, komm mit, komm mit…« Nilis führte ihn durch Korridore mit kahlen Wänden, tappte über Fußböden, die vom langen Gebrauch ausgetreten waren.
Nilis arbeitete in einem Orbitalhabitat; die Korvette hatte behutsam am Herzen eines weitläufigen Gewirrs von Modulen, Stegen und Rohren angelegt. Das Habitat war ausschließlich der Wissenschaft gewidmet, wie es schien, der zweiten Rolle des Planeten als »Neutrino-Teleskop«. Und es war alt: Die Schutzhüllen der Module waren von Mikrometeoriteneinschlägen zernarbt und von der jahrtausendelangen Bestrahlung durch das harte Sonnenlicht geschwärzt.
Innen war die Forschungsstation ein Irrgarten aus Gängen und kleinen zylindrischen Kammern. Ein schaler menschlicher Gestank wurde von anhaltendem Ozongeruch überlagert, dem Geruch von Schweißarbeiten und versagenden elektrischen Systemen. Die Station verfügte über einigermaßen moderne Lageregelungstriebwerke, Trägheitskontrolle sowie Lebenserhaltungs- und andere elementare Systeme, aber wohin man auch schaute, überall schufteten Roboter, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Der Strom kam heutzutage aus zwei GUT-Modulen, aber das Habitat besaß immer noch einen Satz antiker Solarzellenflügel, deren glänzende Oberflächen längst geschwärzt und abgeblättert waren.
Nilis erklärte, die Station habe als rein wissenschaftliche Einrichtung ohne ersichtliches militärisches Potenzial schon immer zu wenig Mittel zur Verfügung gehabt. »Daran gewöhnt man sich«, sagte er.
Er brachte Pirius zu einem Beobachtungsmodul. Sie schauten auf das glänzende Antlitz des Planeten hinaus, und Pirius war geblendet. Aber er konnte das Netzwerk der Steinbrüche und Straßen auf der leuchtenden Oberfläche erkennen und sah auch die stetigen Ströme von Fähren, die die Atmosphäre durchquerten.
»Mir gefällt’s hier recht gut«, sagte Nilis verschwörerisch. »Aber es ist kein schöner Ort zum Arbeiten. Auf dem Pluto zum Beispiel ist man wirklich isoliert, draußen im Nichts. Hier ist die Erde so nah, dass sie dem bloßen Auge wie die andere Hälfte eines Doppelplaneten erscheint – nah genug, um sie zu berühren. Niemand will an einem solchen Ort arbeiten, wenn die Heimat so verlockend nahe ist.«
»Die Venus ist eine Kohlenstoffmine«, sagte Pirius vorsichtig.
»Ja. Obwohl sie niemand mehr Venus nennt. Niemand außer Luru Parz und ihresgleichen.«
Pirius besaß genug Grundkenntnisse in Planetologie, um zu erkennen, dass dieser Planet erheblich verändert worden sein musste. Er war eine felsige Welt, nicht viel kleiner als die Erde, und so nah an seinem Muttergestirn hätte er von einer dicken Luftschicht umhüllt sein müssen, einer zermalmenden Decke aus Kohlendioxid und anderen Verbindungen, die von der erbarmungslosen Hitze der Sonne aus dem Gestein gebrannt wurden.
Nun, die Atmosphäre sei einmal über zweihundert Kilometer dick gewesen, sagte Nilis; sie habe etwa die hundertfache Masse der Erdatmosphäre besessen und hundertmal so viel Druck auf die Oberfläche ausgeübt. Die untersten zwanzig Kilometer etwa seien wie ein träges Meer gewesen, die Steine darunter glühend heiß. So habe der Planet beim ersten Besuch der Menschen ausgesehen – und damals seien die Wolken so dick gewesen, dass kein menschliches Auge je zuvor den Boden erblickt hätte.
»Die Venus war ein richtiges Ärgernis. Eine Welt in solcher Nähe der Erde, in Größe und Aufbau ganz ähnlich, aber trotzdem so anders. So gibt es beispielsweise auf der Venus nicht mehr Kohlendioxid als auf der Erde; aber auf der Erde ist es in Karbonatgestein wie Kalkstein eingeschlossen. Hier hing alles jedoch tödlich in der Luft. Also, was konnte man tun?
In den frühen Tagen von Michael Poole gab es alle möglichen Pläne für eine Terraformierung der Venus. Man
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