Sternenkinder
Schliere, als würde das Bild, das sie sah, mit einem Löffel umgerührt. Der Grav-Schild arbeitete. Die verschlierte Sicht nach vorn war ein Zeichen dafür, dass er aktiv war; das Licht, das ihn durchdrang, wurde von der sich auftürmenden Raumzeitwelle verzerrt. Es war ein wunderbarer, erstaunlicher Gedanke: Vor ihr tat sich wirklich ein neues Universum auf, ein Universum, das von den an ihr Schiff geschraubten klobigen Kapseln und Modulen projiziert wurde, und die Ausdehnung dieses Universums zog das Schiff hinein.
Und nun leuchtete ein grelleres Licht auf, als brennte es durch einen Nebel hindurch. Es wuchs rasch zu einer Scheibe von der doppelten, dreifachen, vierfachen Größe des Saturns heran. Dies war die Schockfront, jener Ort, wo die Raumzeitwelle brach. Das Licht wurde von der Materie erzeugt, die in diese Front hineinstürzte – Massenenergie, die binnen Sekundenbruchteilen verloren ging.
Das Gebrabbel verstummte. Sie hörte nur noch ihre Crew und ihren eigenen kratzenden Atem.
»Schock geformt!«, schrie Brea. Emet jauchzte.
In diesem Augenblick war Torec mit ihrer Crew allein in einer aus dem Kosmos herausgeschnittenen Raumzeitblase – drei Menschen, allein in einem selbst erschaffenen Universum. Aber noch hatten sie nicht gewonnen.
»Ist der Schild stabil?« Keine Antwort. »Ingenieurin, ist er stabil?«
»Negativ«, sagte Brea traurig.
Für einen letzten Moment herrschte noch Ruhe.
Dann schwoll die Scheibe an, wurde dünner, verwandelte sich in ein Netz blauweißer Fäden – und platzte. Die Schockwelle prallte gegen das dahinrasende Grünschiff. Es war eine brutale Impulswelle aus Gravitationsenergie, die sich zu hochenergetischer Strahlung und einem Partikelschauer verdichtete. Das Schiff wurde auf der Stelle zerschmettert.
Torecs Blase sprengte sich ab und flog davon. Während sie sich überschlug, sah sie, dass der Rumpf wie ein Spielzeug zerquetscht wurde; die angeschraubten Module rissen ab und trieben frei im Raum. Die drei Arme wurden zu Stummeln verkürzt. Von ihrer Crew war nichts zu sehen. Der Nachtjäger glitt geschmeidig zum Schauplatz der Zerstörung und feuerte unangefochten einen rosa-grauen Strahl in die sich auflösende Wolke – es war nur ein harmloser Marker, aber die Symbolik entging Torec nicht.
Dann wurde ihre Kapsel mit einem Schaum geflutet, der ihre Gliedmaßen zur Unbeweglichkeit erstarren ließ, und sie war im Dunkeln gefangen.
Das Lazarett auf Enceladus unterschied sich in nichts von anderen Marinelazaretten. Sie erfüllten ihren Zweck, aber sie waren kahl und kalt, und das Personal war mürrisch: Man wurde dort geheilt, konnte aber keinerlei Komfort erwarten. Torec hätte es am liebsten sofort wieder verlassen, aber es würde noch einem Tag dauern, bis die Knochen ihres gebrochenen Armes ausreichend verheilt waren.
Emet, der Navigator, war bereits fort. Er hatte bei der Explosion kaum einen Kratzer abgekommen, aber gleich nach seiner Entlassung um seine Versetzung gebeten.
Brea hatte den Aufprall nicht überlebt.
Nach sechs Stunden bekam Torec Besuch von Darc und Nilis.
Pirius war noch auf der Venus. Nilis sagte, er habe Pirius erzählt, was geschehen sei.
In der Luft über Torecs Bett lief immer wieder eine virtuelle Wiederholung der letzten Momente des Fluges ab. Torec musste zusehen, wie ihre Blase, das Innere milchig vom Schaum, aus der sich ausbreitenden Trümmerwolke hervorschoss, die einmal ein Grünschiff gewesen war.
»Schauen Sie sich den Xeelee an«, knurrte Darc. »Wissen Sie, Kommissar, ich glaube allmählich, dass er wirklich lebendig ist. Man sieht ihm die Verachtung geradezu an.«
Nilis marschierte barfuß auf und ab. Er war überlastet, und der Unfall bedrückte ihn außerordentlich. »Ach du meine Güte, du meine Güte«, sagte er immer wieder.
Torec unterdrückte ein Seufzen. »Sir, Brea ist in Ausübung ihrer Pflicht gestorben.«
»Aber wenn ich nicht gewesen wäre, hätte man sie gar nicht erst in Gefahr gebracht.«
»Bei allem Respekt, Kommissar, das ist gefühlsduseliger Unsinn«, donnerte Darc. »Brea war Soldatin. Soldaten sterben, Sir, weil sie sich in Gefahr begeben. Es ist eine Frage der Statistik; so muss man es betrachten.«
Nilis drehte sich mit rot geränderten Augen zu ihm um. Er war offenkundig wütend. »Und das soll mich trösten?«
Darcs Miene änderte sich nicht. »Wenn Sie Trost wollen, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass sie in Ausübung ihrer Pflicht gestorben ist.«
Nilis schnaubte und
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