Sternenkinder
Schlamassel.
Es war die Standardausgabe eines Grünschiffs mit dem gedrungenen zentralen Rumpf und den drei Armen, die seine Besatzungsblasen trugen. An sich war es eine elegante Konstruktion, deren Form sich vor Jahrhunderten herauskristallisiert hatte und seither von der Ingenieursgilde, der mächtigsten technischen Behörde der Koalition, penibel beibehalten worden war. Doch die klaren Linien dieses Schiffstyps wurden nun durch zusätzliche Module ruiniert, die so eilig angebaut worden waren, dass man nicht einmal dazu gekommen war, sie zu lackieren. Natürlich waren es alles Prototypen. Die GZK-Ausrüstung war seit den ersten Anlagen auf dem Mond, die den Beweis für die Richtigkeit des Konzepts hatten liefern sollen, stark verkleinert worden, aber das GZK-Modul war immer noch eine große eiförmige Kapsel, mit der das Grünschiff aussah, als wäre es hochträchtig. Die Hülle wies sogar Narben auf, die von einer Explosion des GZK bei einem statischen Test herrührten, bei dem zwei seiner internen Überlichtdrohnen vom Weg abgekommen und kollidiert waren.
Selbst Torecs virtuelle Instrumente waren mit zusätzlichen Displays ausgestattet worden. Das Ganze war primitiv programmiert und neigte zur Instabilität. Und dann gab es noch zusätzliche Boxen, zum Beispiel für einen aufgemöbelten Trägheitsgenerator und die fest verdrahteten Geräte, die den Gravastern-Schild aufbauen sollten. Die gesamte Ausrüstung hatte man in eine Blase gestopft, die ohnehin schon kaum genug Platz für die Pilotin bot. Es war alles andere als beruhigend.
Einundvierzig, vierzig…
Zumindest wirkten die beiden anderen in ihre Kabinen eingeschlossenen Besatzungsmitglieder ziemlich gelassen. Es waren zwei Marineveteranen, beide fast doppelt so alt wie sie. Emet, der Navigator, war ein hoch gewachsener, hochmütiger Mann, der nur im Sol-System gedient hatte. Aber die Ingenieurin, Brea, war zugänglicher. Sie war bei der Ausmerzung einer Ansammlung von Koaleszenten-Labyrinthen im Einsatz gewesen: entarteten menschlichen Welten, Relikten der alten Zweiten Expansion in einem der Sternhaufen im galaktischen Halo.
Sowohl Brea als auch Emet waren Torec, diesem Kind, dem sie unterstellt worden waren, mit Misstrauen begegnet. Aber die drei arbeiteten als Crew gut zusammen, und auf dem langen Weg durch das Testprogramm mit seinen immer neuen Unterbrechungen, Verzögerungen und echten Katastrophen hatten sie gelernt, sich gegenseitig zu respektieren, dachte Torec. Brea hatte sie in der Nacht zuvor sogar eingeladen, ihre Koje im Schlafsaal auf Enceladus mit ihr zu teilen. Torec zog hetero vor, und sie vermisste Pirius. Aber sie hatte aus Höflichkeit angenommen.
Zehn. Neun …
Übergangslos richtete sie ihre volle Aufmerksamkeit auf die Instrumente. Zum ersten Mal zeigte jede Anzeige Grün, die uralte Farbe der Bereitschaft. Sie hörte ein Gebrabbel im Funk, tausend schwatzende Stimmen. Wie sie es in ihrer Ausbildung gelernt hatte, atmete sie mehrmals tief durch; der Adrenalinstoß machte ihr vollständig bewusst, wo sie war, wer sie war und was sie gleich tun würde.
Fünf. Vier. Ein letzter Blick auf ihre Crew, eine bestätigende Handbewegung von Brea. Der Unterlichtantrieb lief warm, und sie spürte trotz ihres aufgemöbelten Trägheitsschutzes, wie sich die mächtigen Energien der Gravastern-Schildgeneratoren sammelten, gleich einem langsamen, tiefen Knurren.
Eins. Das Schiff machte einen Satz nach vorn, sein Unterlichtantrieb zündete…
»Los, los!«, rief sie.
Die Schiffe in der Nähe verschwammen und wurden zu Lichtstreifen, die an ihrem Blickfeld vorbeischossen und verschwanden. Direkt vor ihr ragte der Saturn auf und wurde mit jeder Sekunde größer. Und im Zentrum ihres Blickfelds, eine Spinne im Mittelpunkt ihres Netzes, wartete der Xeelee auf sie.
»Unterlicht okay«, brüllte Emet.
Mag sein, dachte Torec, aber sie spürte, wie schwerfällig das überladene Schiff war, wie sehr sich seine Balance verschlechtert hatte.
»Grav fährt hoch«, meldete die Ingenieurin Brea, »zehn, neun…«
Rote Lichter flammten um ihr Blickfeld herum auf – zu viele Informationen, als dass man sie im Einzelnen hätte aufnehmen können –, schlechte Neuigkeiten, von denen sie nichts wissen wollte.
»Drei, zwei«, rief Brea. »Grav aktivieren?«
Sie ignorierte die Warnlichter. »Los.«
»Null.«
Der Unterlichtantrieb schaltete sich aus – aber die Beschleunigung des Schiffes nahm weiter zu, und der Saturn verschwamm und wurde zu einer
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