Sternenkinder
– als hätten sie ein solches Gebaren von Anfang an von ihr erwartet.
Es sollte jedoch drei Wochen dauern, bis sie zufrieden war; drei Wochen, die gesamte verbliebene Zeit bis zu Gramms Stichtag. Der nächste Testlauf würde der letzte sein, komme was da wolle. Er musste funktionieren.
Diesmal war sie als Erste auf dem Beobachtungshügel, nicht als Letzte. Nilis’ besorgter Virtueller war ebenfalls zugegen, und Gramm schickte eine Kopie seiner Beraterin, der hochnäsigen Pila.
Diesmal erschien jedoch auch Luru Parz.
Die Überwachungsroboter schwebten erneut an ihre vorbereiteten Positionen, und die Techniker entfernten sich von dem ungeschlachten Prototyp. Während hundert leuchtende Uhren rückwärts zählten, kam Luru Parz zu Torec und stellte sich neben sie.
Torec fand, dass Luru etwas außergewöhnlich Regloses an sich hatte; sie war so unbeweglich wie der uralte Mond selbst. Und sie war dunkel. Das Licht war hell, denn es war der Mittag des langen Mondtages. Aber Luru schien das Licht aufzusaugen; obwohl ihre virtuelle Gestalt keinen Schatten warf, sah sie auf merkwürdige Weise selbst wie ein Schatten aus. Torec hatte erfahren, dass diese Virtuelle kein Avatar war, keine halbintelligente Kopie eines Originals, mit dem ihre Erinnerungen verschmolzen würden, nachdem sie ihre Funktion erfüllt hatte. Diese Virtuelle war ein Spiegelbild des Lebens, und da es keine wahrnehmbare Zeitverzögerung gab, musste das bedeuten, dass sich Luru Parz selbst irgendwo im Innern des Erde-Mond-Systems befand – oder dass sie durch irgendeinen Überlichtkanal mit dem Mond verbunden war, was enorm teuer wäre.
»Du hast also Pirius’ Zeitsprungtechnik kodifiziert«, sagte Luru Parz zu Torec.
»Ja, Ma’am.«
»Beschreibe mir deinen Algorithmus.«
Torec holte Luft. Obwohl sie ihren Technikern immer wieder eingebläut hatte, sich ihr gegenüber verständlich auszudrücken, war die Theorie der GZK-Software nach wie vor ihr schwächster Punkt. »Wir geben dem System ein Problem zu lösen – unser Prototyp hat die Aufgabe, eine spezielle Proteingeometrie zu finden. Und wir geben ihm eine gewaltsame Problemlösungsmethode vor. Im Fall der Proteinfaltung soll der Prozessor einfach alle möglichen Proteingeometrien durchsuchen. Außerdem haben wir ein Zeitregister, einen speziellen Cache, der eine Markierung speichert, wenn ein Signal aus der Zukunft empfangen worden ist.
Das grundlegende GZK-Programm hat drei Stufen. Wenn der Prozessor zu arbeiten beginnt, wird als Erstes das Zeitregister geprüft. Falls ein Signal angekommen ist – die Lösung des Problems also schon im Speicher liegt –, hört er auf. Wenn nicht, gehen wir zu Stufe zwei über und führen die Berechnung gewaltsam durch, ganz egal, wie lange es dauert. Wenn die Lösung schließlich gefunden ist, gehen wir weiter zu Stufe drei: zurück in die Vergangenheit, die Lösung abliefern und das Zeitregister markieren.«
Luru nickte. »Die Zeitlinie wird also umgeschrieben. Im ersten Entwurf der Zeitlinie wird das Problem gewaltsam gelöst. In der endgültigen Version der Zeitlinie wird die Lösung durch die Zeit zu dem Moment zurückgeschickt, an dem die Frage gestellt worden ist. Sodass die Berechnung gar nicht erst durchgeführt zu werden braucht.«
»Richtig.«
Luru seufzte. »Die Freuden der Zeitreiseparadoxa. Man kann die Lösung eines Problems finden, ohne sie erst mühsam suchen zu müssen! Aber an eurem Konzept ist bestimmt noch erheblich mehr dran. Eure geschlossenen zeitartigen Kurven müssen recht kurz sein.«
»Eigentlich nur Millisekunden.«
»Dann könnt ihr sicherlich keine Probleme lösen, deren Bewältigung mehr Zeit in Anspruch nehmen würde.«
Torec lächelte. Ihr Selbstvertrauen wuchs. »Nein. Aber wenn man ein Problem in viele Einzelteile aufbricht, kann man alles lösen.« Sie beschrieb, wie das Problem in eine Hierarchie ineinander verschachtelter Subkomponenten aufgespalten wurde, bis nur noch derart triviale Berechnungen übrig blieben, dass sie innerhalb der kurzen GZK-Perioden des Prozessors durchgeführt werden konnten. Die Lösungen wurden in die Vergangenheit zurücktransportiert und für den nächsten Durchlauf wieder eingespeist, und so ging es immer weiter. Auf diese Weise wurde Stück für Stück eine Lösung zusammengetragen und durch mehrfache Schleifen zum Startmoment zurückgeschickt, bis das gesamte Problem gelöst war. »Die technische Herausforderung besteht in Wahrheit darin, das Problem zunächst einmal zu
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