Sternenkinder
das Zentrum der Galaxis umschloss, sie war von kleinen Welten wie dieser übersät, und auf jeder davon lebten Menschen, die Gräben und Tunnel anlegten. Sie buddelten für den Sieg; das jedenfalls erzählten ihnen die Ausbilder. Und ob sie diesen Sieg jemals errangen oder nicht, dachte Pirius, jede Schaufel voll glitzerndem Asteroidenstaub stärkte die Druz-Doktrinen und festigte die Einheit der Menschheit ein kleines bisschen mehr.
14
Zwei Wochen nach Pirius Rots erstem Testflug mit dem Xeelee-Nachtjäger setzte Nilis eine Besprechung an, um den Minister vom Stand der Dinge zu unterrichten. Sie fand auf den Saturnmond Enceladus statt. Minister Gramm erschien mit seiner merkwürdigen virtuellen »Beraterin« Luru Parz, während Commander Darc und einer seiner Adjutanten die Marine vertraten.
Und Nilis fing an zu dozieren. Selbst vor diesem finster dreinschauenden Quartett würde der Kommissar in seiner typischen hyperakademischen Art niemals einfach nur seine Ergebnisse konstatieren: Nein, das war nicht sein Stil. Er musste zuerst den Sachverhalt klären; er musste sein Publikum erziehen.
Seit der Analyse der Testergebnisse, sagte Nilis, hätten sich seine Vorstellungen vom Wesen und Ursprung der Xeelee verfestigt. Wortreich erläuterte er eine sehr komplexe Abfolge von Schaubildern, die, wie er behauptete, seine Hypothese über das Wesen des Xeelee-Nachtjägers stützten: dass er nicht nur eine Maschine war.
»Das irdische Leben beruht natürlich auf der Sauerstoff-Kohlenstoff-Chemie. Den chemischen Gesetzen zufolge ist jedoch eine große Palette solcher Verbindungen möglich. Wenn man die Bestandteile von Kohlenstoffverbundmaterial analysiert, das von einem leblosen Kometen abgekratzt wurde, erhält man eine solche breite, glatte Verteilung« – eine flache, gleichmäßige Kurve –, »eine kunterbunte Mischung vieler Verbindungen. Wenn man dagegen etwa ein Schabsel meiner Haut analysiert, eine Probe von einem lebendigen Wesen, bekommt man das hier.« Eine stachelige Verteilung, die eine starke Konzentration bestimmter Verbindungen anzeigte; andere wiederum fehlten völlig. »Das nennen wir das Baukastenprinzip, und man glaubt, dass es ein universelles Merkmal des Lebens ist. Es gibt eine starke Selektion in Richtung der Standardbausteine, wissen Sie: von all den theoretisch möglichen Verbindungen verwenden irdische Lebewesen immer wieder dieselbe Hand voll Schlüsselkomponenten – Aminosäuren, Kohlenhydrate…«
»Ein Xeelee-Nachtjäger besteht aber nicht aus Aminosäuren«, knurrte Gramm.
»Nein. Aber schauen Sie sich das an.« Nilis zeigte Schaubilder von Grundstrukturen, die er in der Konstruktion des Xeelee, seiner Kondensathülle, ja sogar seinen Raumzeitdefekt-Flügeln beobachtet hatte. Die Verteilungen waren stachelig. »Sehen Sie? Ein typisches Baukastenmuster. Daraus ergeben sich gewisse Folgerungen. Natürlich muss jede Lebensform bestimmte Merkmale besitzen – insbesondere einen Informationsspeicher.«
Er begann darüber zu spekulieren, wie ein Xeelee-Genom wohl gespeichert wurde. Der Genotyp eines Organismus war der interne Datenspeicher, der das Wachstum und die Struktur dieses Organismus festlegte; Nilis’ eigener Genotyp war in seiner DNA gespeichert. Der Phänotyp – beispielsweise Nilis’ Körper – war der Ausdruck dieser Daten. Nilis erklärte, im »Rückgrat« des Schiffes seien aufgelöste Quantenstrukturen entdeckt worden. Bisher sei es ihnen nur gelungen, sich in die simpleren Kommunikationsschleifen zu hacken, die die grundlegenden Operationen des Schiffes kontrollierten. Aber wenn er Recht habe, sei irgendwo da drin das Äquivalent von Xeelee-DNA gespeichert.
»Vielleicht reproduzieren sie sich kraft irgendeines exotischen Prinzips, das viel ausgeklügelter ist als unsere Molekülspaltung. Wir wissen, dass sie mithilfe von Quantenverschränkung kommunizieren. Vielleicht ist die Geburt für einen Xeelee eher so etwas wie Teleportation, die Herstellung einer Kopie außerhalb des eigenen Körpers.« Er malte die Möglichkeiten aus, die sich auftäten, wenn es menschlichen Hackern gelänge, diesen Genotyp zu knacken, und auf welche Weise man sich die Xeelee-Technologie aneignen könnte…
Seine Zuhörer nahmen all das mit Unmut und Ungeduld auf. Pirius fand es erstaunlich, dass ein Genie wie Nilis die Stimmung seines Publikums permanent derart falsch einschätzen konnte. Er selbst nahm es gelassen. Vor seiner Abreise von der Bogen-Basis hatte er bereits an
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