Sternenkönig - Eine Weihnachtslegende
Richtung, in die er tagsüber gehen musste.
Er dachte: Bin ich erst auf den Berghöhen, dann werde ich sehen, wo der weiße Stern sich zur Ruhe niederlegt.
Am zwölften Tag wurde die Gegend hügelig. Das Felsengebirge war näher gerückt und erhob sich wie eine düstere Wolkenwand am Horizont. Silbermond schaute sich wie jeden Abend nach einem Nachtlager um. Da sah er plötzlich aus dem Eingang einer Höhle Rauch hervorquellen. Er führte seine Lamas vorsichtig näher, aber es zeigte sich kein Mensch.
Schau nicht links, schau nicht rechts, hatte sein Bruder gesagt, aber seine Mutter hatte ihm anders geraten. Silbermond zögerte eine Weile, dann schritt er in die Höhle hinein. Im Schein des Feuers erkannte er eine Frau und drei Mädchen. Sie duckten sich ängstlich in eine Ecke. Silbermond sprach sie freundlich an und bald wusste er, dass er zur rechten Zeit gekommen war.
Die Frau berichtete ihm, dass ihr Mann vierzehn Tage zuvor zur Jagd aufgebrochen war. Er war nicht zurückgekehrt. Sie und ihre Töchter hatten vergebens nach ihm geforscht.
»Alles, was wir an Vorräten besaßen, ist seit Tagen aufgezehrt. Wir leiden großen Hunger«, klagte die Frau.
Silbermond packte das Brot und das Fleisch aus und gab von allem, auch vom Honig aus dem Krug, und er versprach der Frau: »Ich werde gleich morgen nach deinem Mann suchen.«
Er durchstreifte tagelang die Gegend in weitem Umkreis, aber auch er fand den Jäger nicht. Das Brot und das Fleisch, das er mitgebracht hatte, gingen bald zur Neige. Da nahm Silbermond Pfeil und Bogen und begab sich auf die Jagd. Die beiden ältesten Töchter des Jägers, zwölf und vierzehn Jahre alt, nahm er mit. Er erbeutete ein Hirschkalb. Sie brieten das Fleisch und es war ein köstliches Mahl.
Jeden Tag in der Morgendämmerung hielt Silbermond Ausschau nach dem weißen Stern. Gern wäre er ihm nachgezogen.
Er wusste jedoch, dass er noch nicht aufbrechen konnte. Ohne ihn war die Familie des Todes.
In den folgenden Wochen brachte er den Mädchen das Fischen und Jagen bei. Eines Tages machten sie sich auf und gingen allein zur Jagd. Sie brachten zwei Hasen und einen Truthahn als Beute nach Hause.
In der Frühe des nächsten Tages machte Silbermond sich auf und wanderte weiter, dem weißen Stern nach.
Bald hatte Silbermond die Hügel hinter sich gelassen und gelangte ins Gebirge. Hier war bereits der erste Schnee gefallen.
Vielleicht hätte ich doch auf meinen Bruder hören sollen, dachte Silbermond, dann wäre ich noch vor dem Winter über die Berge gekommen.
Die Tage wurden kürzer und kürzer. Es dunkelte schon früh und Silbermond musste sich immer zeitiger eine Bleibe für die Nacht suchen.
Eines Abends trieb ein heftiger Wind schwarze Wolken über die Berggipfel. Ein Schneesturm fegte daher. Die Lamas duckten sich zu Boden und Silbermond legte sich zwischen sie, damit die Kälte ihm nichts anhaben konnte.
Gegen Morgen war der Himmel wieder klar. Die Gestirne glänzten heller als in allen Nächten zuvor. Den weißen Stern aber konnte Silbermond unter den tausend und abertausend Himmelsfunken gleich herausfinden. Wie von Goldstaub leuchtete der Schweif, den er hinter sich herzog.
Am nächsten Tag kam Silbermond ein struppiger Hund entgegengesprungen. Das Tier blieb nicht weit vor den Lamas stehen. Sobald sich Silbermond jedoch näherte, lief der Hund ein Stück fort, verharrte aufs Neue und bellte.
Silbermond dachte: Der Hund will mich führen. Und er ging ihm nach.
Kurze Zeit später verschwand das Tier unter einer Tanne, die ihre Zweige bis tief auf den Boden gesenkt hatte. Dort fand Silbermond einen alten Mann. Der hatte vor dem Sturm unter dem dicken Geäst des Baumes Zuflucht gesucht. Der Alte war durchgefroren und steif vor Frost.
»Ich heiße Der-in-den-Bergen-lebt«, sagte der Mann. »Wind und Wetter haben mich überrascht, ich konnte nicht mehr bis zu meiner Hütte gelangen. Ich habe mich hierher verkrochen, um zu sterben.«
Es war Silbermond, als ob er die Stimme der Mutter hörte: »Vergiss niemals den Menschen, der deine Hilfe nötig hat!«
Er griff nach den Geschenken, die er für den großen König mitgenommen hatte, hüllte den Alten in den bunt gefärbten Umhang, setzte ihm die warme Mütze auf und deckte ihn mit dem Bärenfell zu.
Allmählich wurde dem Mann wieder warm und er kam zu Kräften. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Hütte. Silbermond stützte den Alten. Der Hund lief vor ihnen her.
Die Hütte von Der-in-den-Bergen-lebt lag in
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