Sternenkönig - Eine Weihnachtslegende
prägte er sich genau die Richtung ein, die der Stern genommen hatte, und fragte die Menschen im Dorf: »Was liegt hinter dem Grünland der Küste?«
Die Antwort war: »Hinter dem Grünland erstreckt sich die endlose Wüste.«
»Und hinter der Wüste?«, fragte er.
»Dahinter liegt das goldene Land Ägypten.«
»Ich werde nach Ägypten gehen«, sagte Silbermond, »denn genau in dieser Richtung habe ich den weißen Stern zuletzt gesehen.«
Da warnten sie ihn und sprachen: »Die Wüste ist wie ein grimmiger Löwe. Sie verschlingt die Menschen.«
»Mich schreckt die Wüste nicht«, erwiderte Silbermond. »Ich werde genug Wasser und Brot mit mir nehmen.«
Doch die Menschen sorgten sich um ihn und sagten: »Wasser und Brot sind wichtig. Doch kann dich das vor den Gefahren nicht retten. Räuberbanden haben ihr Versteck in der Felsenwüste. Sicher, man hat schon von Menschen gehört, die allein in die Wüste gegangen sind, aber nie ist einer lebend hindurchgekommen. «
Silbermond fragte: »Niemandem ist es gelungen, die Wüste zu durchqueren?«
»Doch, doch«, antwortete ein grauhaariger Mann. »Ich selbst bin vor vielen Jahren durch die Wüste ins goldene Ägypten gezogen, aber nicht allein. Allein schaffst du es nie.«
»Nicht allein?«
»Nein. Ab und zu bricht eine Salzkarawane auf. Ich habe mich damals einem erfahrenen Karawanenführer angeschlossen. Der kannte die geheimen Wasserstellen. Er hat uns nach Monaten sicher bis Ägypten gebracht.«
»Wann wird sich wieder eine Karawane auf den Weg machen? «, fragte Silbermond.
»Das weiß niemand genau«, seufzte der Mann. »Vielleicht in diesem Jahr, vielleicht im nächsten. Wenn du willst, kannst du in meiner Hütte wohnen. Ich heiße Mutiger Leopard. Mein Sohn ist erwachsen und hat eine eigene Hütte.«
Silbermond nahm die Einladung an und zog zu dem Mann. Viele Monate blieb er an der Küste.
»Was lockt dich ins goldene Ägypten?«, fragte ihn Mutiger Leopard einmal.
Silbermond erzählte ihm von dem neuen Stern, der ihm erschienen war und der sich jenseits der Wüste zum Schlafen niedergelegt hatte.
»Den König der Könige will ich suchen«, schloss er. »Einst kam ein Fremder aus dem Lande Juda zu uns«, sagte Mutiger Leopard. »Er erzählte mir, dass sein Volk voller Sehnsucht auf einen solchen König, auf einen solchen Messias warte.«
»Und wo liegt das Land Juda?«, fragte Silbermond.
Doch das wusste Mutiger Leopard auch nicht.
Einmal verbreitete sich das Gerücht, dass weitab vom Dorf eine Karawane aufgebrochen sei, aber Genaues konnte niemand sagen.
»Länger will ich nicht bleiben«, sagte Silbermond, als er das hörte. »Ich werde die Karawane einholen und mit ihr ziehen.«
»Ich besitze ein schnelles Kamel.« Mutiger Leopard zeigte auf ein Tier, das nicht weit von der Hütte entfernt auf den Knien lag und unentwegt vor sich hin kaute. »Du kannst es von mir bekommen. Es wird dir ein treuer Begleiter sein.«
»Du willst mir dein Kamel schenken?«, fragte Silbermond erstaunt.
»Nicht gerade schenken«, erwiderte Mutiger Leopard. »Es ist nämlich so: Mein Sohn hat ein lahmes Bein. Er kann weder mit den anderen Männern auf die Jagd gehen noch als Lastträger sein Brot verdienen. Ich denke, mein Sohn sollte Fischer werden und aufs Meer hinausfahren. Er braucht ein Boot und Netze.«
»Fischer ist ein guter Beruf«, bestätigte Silbermond.
»Ich kann dir das Kamel nicht schenken«, wiederholte Mutiger Leopard. »Aber wenn du in die Wüste ziehst, brauchst du dein Boot nicht mehr. Da dachte ich …«
»Aber ja!«, rief Silbermond. »Wir tauschen. Ich gebe dir mein Boot und erhalte von dir das Kamel.«
»Er braucht aber auch Netze«, beharrte Mutiger Leopard.
»Netze habe ich leider nicht«, antwortete Silbermond.
»Aber du besitzt ein Halsband aus grünen Türkisen. Dafür könnte mein Sohn wohl Netze bekommen.«
Silbermond gab das Geschenk hin, das eigentlich für den König der Könige bestimmt war, und erhielt für das Halsband aus grünen Türkisen und für das Schilfboot das Tier, das ihn durch die Wüste tragen sollte. Mutiger Leopard nahm ein Lammfell und zeichnete darauf den Weg durch die Wüste.
Für die Oasen, an die er sich erinnern konnte, malte er jeweils einen Wassertropfen auf das Fell. Es waren wenig genug.
Der weiße Stern zeigte sich inzwischen selbst in dunklen Nächten nicht mehr, aber Silbermond ließ sich nicht von seinem Plan abhalten. Er füllte seine Wasserschläuche, nahm Brot und Salz mit und dankte
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