Sternenlaeufer
begleiten, damit ich mich nicht verlaufe …«
»Herrin, Ihr hättet ihn zu mir schicken sollen, und dann hätte ich dafür gesorgt, dass Mireva Euch etwas zu essen holt«, erklärte Thanys mit einem spöttischen Blick auf die ältere Frau. Sie redete die ganze Zeit weiter, während sie zu Meiglans Bett gingen, wo sie das Mädchen unter die seidenen Laken stopfte. »… und hoffe, dass Ihr nichts Schlimmes träumt, nachdem Ihr Lady Sionells würzigen Tee zu so später Stunde getrunken habt!«
»Träume müssen nicht unbedingt schlecht sein«, tröstete Mireva und entschied, dass sie ihrer Verwandten ihre Respektlosigkeit verzeihen konnte; sie hatte Mireva soeben ein hübsches Stichwort für ihren Vorschlag gegeben. »Nach allem, was ich gehört habe, ist Lady Sionells Mischung gewiss eine sehr gute. Ich bin sicher, Ihr werdet glückliche Träume haben, Herrin.«
»Die Kerzen, Mireva«, befahl Thanys knapp, und als der Raum in Dunkelheit gehüllt war, schlossen die beiden Zauberinnen die Tür hinter sich.
Mireva wollte etwas sagen, aber die andere Frau schüttelte nur heftig den Kopf und deutete auf die äußere Tür – die noch immer halb offen stand. »Bleib heute Nacht hier, falls sie wieder aufwacht«, sagte Thanys und lächelte freudlos, als sie verschwand. Diesmal schloss sie die Tür hinter sich ganz fest.
Mireva befreite Ruval aus dem Kleiderschrank. Er trat heraus und rieb seine Nase. »Weißt du eigentlich, wie nah ich daran war zu niesen?«, beschwerte er sich im Flüsterton. »Dieses verdammte Parfüm – meine Nase juckt bis zu den Augenbrauen hinauf!«
»Du bist der einzige Mann weit und breit, dem es nicht gefällt«, gab sie zurück. »Aber ich ändere es vielleicht trotzdem. Für den Fall, dass jemand anders genauso reagiert.«
»Tu das. Nun, ich bin so weit. Und sie?«
»In einer kleinen Weile. Du weißt, was zu tun ist – und was nicht?«
Ruval grinste. »Es ist verführerisch, weißt du. Bist du sicher, dass ich nicht …«
»Nicht wenn du das zu schätzen weißt, mit dem du es tun willst! Sie muss Jungfrau bleiben.«
»Schon gut, schon gut. Wenn sie so riecht wie ihre Kleider – also los, bringen wir es hinter uns. Übrigens, wie soll ich an der Wache vorbeikommen?«
Mireva sah ihn bloß an.
»Schon gut. Eine dumme Frage.«
Sie zog einen Lederbeutel aus der Tasche und schüttete einen Teil seines Inhalts in ihre Hand. Die Hälfte gab sie ihm, den Rest leckte sie auf. »Ich weiß, wie es schmeckt«, fuhr sie ihn an. »Iss es trotzdem.« Als er es mit verzerrtem Gesicht getan hatte, holte sie tief Atem. »Fang an, Ruval. Stell ihn dir im Geiste so vor, wie du ihn im Fleische gesehen hast – die Linien seines Gesichts, der Umriss seines Körpers, die Farbe seines Haares …«
Sionell wachte beim ersten Wimmern von Antalya auf, geweckt durch die Intuition, die die meisten Mütter mit der Geburt ihrer Kinder entwickeln. Dank der Fähigkeiten ihres Gemahls und seinem Wunsch, ihr zu zeigen, dass er erwachsene Frauen jungen Mädchen vorzog, hatte sie tief und fest geschlafen. Aber als ihre Tochter zu weinen anfing, stand Sionell schnell auf und ging durch den Flur zum Kinderzimmer hinüber, wo es Antalya inzwischen gelungen war, auch Chayla und Rohannon aufzuwecken.
Der Grund für Talyas Kummer war der große, grüne Drachen, den ihre Großmutter Feylin ihr geschenkt hatte und der auf den Boden gefallen war. Sionell brachte alles in Ordnung, während die Amme die Zwillinge beruhigte – keine leichte Aufgabe, wie Hollis sie bereits gewarnt hatte, als sie Sionells Vorschlag annahm, die beiden sollten einen kurzen Besuch auf Tiglath genießen, während ihre Eltern in Stronghold waren. »Sie springen gerne herum – nicht nur von den Betten, sondern bis an die Decke hinauf«, hatte Hollis geseufzt. »Und wenn es keine Decken gäbe, dann würden sie fliegen.«
Nachdem sie der Hüpferei für diese Nacht ein Ende gemacht hatte, schloss Sionell lächelnd die Tür zum Kinderzimmer hinter sich. Sie war fast sicher, dass Tallain nicht aufgewacht war – wahrscheinlich hatte er sich überhaupt nicht gerührt. Er hatte seinen Schlaf heute Abend auch wirklich verdient. Ihr Lächeln wurde zum Grinsen, als sie überlegte, dass es ihr auch nicht anders ging. Während sie zu ihren Gemächern zurückkehrte, warf sie einen Blick den langen Korridor hinunter, wo der Posten vor Meiglans Zimmer stand. Morgen würde sie damit anfangen, dem Mädchen ein bisschen Rückgrat zu verleihen. Und wenn Miyon es
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