Sternenlaeufer
bei Chiana genauso behandelt worden. Bis ich dafür gesorgt habe, dass Chiana mich sieht.« Als er Ruval im Licht einer Kerze ansah, deren teure Halterung das Ausmaß von Tiglaths Reichtum verriet, höhnte er plötzlich: »Du verblasst.«
»Ich entspanne mich«, verbesserte ihn Ruval. »Und außerdem können wir Diarmadh’im mehr oder weniger durch jedes und jeden hindurchsehen, wenn wir wollen. Wir schon, die anderen nicht.« Er lachte. »Ich verbringe den morgigen Tag vielleicht in Riyans Nähe, wenn ich es so einrichten kann.«
»Bleib ihm fern!«, warnte Marron.
»Dreh nicht durch.« Ruval schleuderte die kurzen Stiefel mit dem weichen Absatz fort, die in dieser Residenz mit ihren gebohnerten Böden und den kostbaren Teppichen vorgeschrieben waren, und streckte sich. »Vielleicht hast du Recht, und das hier ist Stress. Vielleicht bin ich aber nur einfach gelangweilt. Beim Namenlosen, dieses Verbeugen und Scharren kann einem Mann schon auf die Nerven gehen. Ich weiß nicht, wie du das über Jahre ertragen konntest.« Er gähnte und öffnete die oberen Spitzen seines leichten Seidenhemdes. »Ich kann kaum noch die Augen offen halten.«
»Nun, dann lassen wir eben die Arbeit und schlafen.«
»Deine Sorgen möcht ich haben, Bruder«, spottete Ruval.
»Selbsterhaltung, Bruder«, gab Marron im selben Ton zurück. »Wenn du zu wackeln anfängst, dann bedeutet das das Ende von unserem schönen Plan. Offen gesagt, ich beabsichtige, als Gast an Pols Verbrennung teilzunehmen, nicht als Brennstoff meiner eigenen.«
Nacheinander blies Marron alle Kerzen aus. Acht Mal ein kleines Zischen – aber er zögerte vor der neunten und warf einen Blick zu seinem Bruder hinüber, um sich der allmählichen Veränderung zu vergewissern. Verschwunden war der gespenstische Eindruck von hervorstehenden Wangenknochen, dem Grübchen am Kinn, dem helleren Haar und dem längeren Kiefer, die dem vertrauten Bild aufgedrückt worden waren. Das war wieder Ruvals Gesicht, nicht die subtil veränderten Züge eines Fremden.
Marron ließ in seiner eigenen eisernen Beherrschtheit nach, die durch riesige Mengen Dranath unterstützt wurde. Er musste sich nicht mit dem Anblick seiner eigenen Veränderung in dem kleinen Spiegel neben der Tür beruhigen; das hatte er schon früher fasziniert beobachtet. Die Veränderungen waren körperlich kaum zu spüren, weder wenn man sie annahm, noch wenn sie vergingen, nur ein leises Klirren im Kopf, wenn er die Illusion projizierte.
Zuerst hatte er ein Gefühl gehabt, als trüge er die Kleider eines Fremden – sie saßen gut, aber nicht perfekt, zu eng hier, zu locker dort. Seine Bewegungen und seine Mimik waren entsprechend ungeschickt, wie wenn man in fremden Stiefeln gegen seinen eigenen Rhythmus geht und das auszugleichen versucht.
Was er und Mireva jedoch entworfen hatten, war eine gänzlich neue Haut, und es hatte Zeit und Arbeit erfordert, sie anzupassen.
Als der Zauber nachließ, entspannte er sich. Er warf einen Blick auf die Narbe am Handgelenk, eine Erinnerung an ein Missgeschick in seiner Kindheit, die nun wieder sichtbar wurde. Sein Mund war wieder sein eigener, er war breiter, mit vollen Lippen, und verzog sich zu einem eigenen Lächeln, als die Spannung von ihm wich. Er bildete sich manchmal ein, er könnte sogar fühlen, wie seine Augenfarbe sich von hellem Gelbgrün zurück zu Braun veränderte.
Bei Nacht musste selbst ein Diarmadhi -Geist die Kontrolle aufgeben, und jeder, der ihn oder Ruval dann betrachtete, würde ihre wahren Umrisse und Züge sehen. Deshalb versperrten sie die Kammer. Mireva benötigte derartige Dinge nicht und teilte sich mit Thanys einen winzigen Raum in der Nähe des Kinderzimmers. Sie war nie von einem ihrer Feinde gesehen worden; die einzige Veränderung in ihrer Erscheinung war der Versuch, sie noch älter aussehen zu lassen, als sie tatsächlich war. Ihre Illusionsarbeit würde später kommen. In Stronghold.
Marron versicherte sich noch einmal, dass die Tür verschlossen war, blies dann die letzte Kerze aus und legte sich auf die zweite Pritsche. Die Luft war heiß und stickig, und in den vergangenen sechs Nächten hatte er nicht gut geschlafen. Aber heute Abend war er erschöpft. Der mangelnde Schlaf und dazu steigender Stress, die Illusion aufrechtzuerhalten, forderten schließlich ihren Preis. Nachdem er sich ein-, zweimal herumgedreht hatte, um die am wenigsten unbequeme Position zu finden, versank er bald in tiefen Schlaf.
Er wachte auch nicht auf, als
Weitere Kostenlose Bücher