Sternenlaeufer
Hoheprinz.«
Andry erwiderte kühl ihren Blick. »Seine Pflicht. Seine Gesetze. Seine Macht. Alles so, wie er es gerne hat.«
»Du verstehst ihn überhaupt nicht, oder?«
»Ich verstehe ihn sehr gut. Ich habe beobachtet, wie er die anderen Prinzen bei jeder nur möglichen Gelegenheit an der Nase herumführt. Er liebt es, seine Macht als Hoheprinz auszuüben, und es hat keinen Sinn, so zu tun, als wäre es anders. Und er ist so eifersüchtig auf diese Macht wie …«
»Wann hat Rohan jemals als Schiedsrichter gehandelt? Wann hat er jemals etwas getan, weil er einfach Lust dazu hatte? Du hast ihn bei zwei Riall’im arbeiten sehen, seit Andrade gestorben ist. Du hast Recht, er benutzt jeden Trick, den er kennt, um die Prinzen zu einem Übereinkommen zu bringen. Aber hast du dich jemals gefragt, warum er das tut?«
Andry zuckte mit den Achseln. »Ich nehme an, es macht ihm Spaß. Nun gut, Sioned, halte mir deinen Vortrag. Ich bin ein bisschen zu alt für ein Schulzimmer, aber darüber wollen wir nicht streiten.«
Nur mit Mühe beherrschte sie sich. »Bestrafung für Verbrechen, selbst die Definition von Verbrechen hat niemals einen Sinn ergeben. Es gab zwei Dutzend Gesetze, die sich mit Pferdediebstahl beschäftigten, und die Göttin allein weiß, wie viele Strafen. Sie unterschieden sich danach, wessen Pferd gestohlen worden war und was es wert war und wie lange es im Besitz des Diebes geblieben war. Rohan hat sein Leben lang das Recht studiert, und selbst er konnte nicht allen Gesichtspunkten in diesem Chaos folgen. Seine Aufgabe war es, dieses Durcheinander zu ordnen. Bei jedem Rialla hackt er ein kleines Stückchen mehr ab und überzeugt die anderen Prinzen, einem einzigen Gesetz und einer gerechten Strafe zuzustimmen. Jetzt denkt man an ihn, wenn man von Recht und Gesetz spricht. Als Hoheprinz gehört es zu seiner Verantwortung, zu entscheiden …«
»Und warum sollten die Gesetze dann nicht auch seinen Namen tragen? Denn so ist es doch in Wirklichkeit. Seine Gesetze, Sioned, seine Macht.«
»Die Pflichten des Hoheprinzen haben sich nicht geändert. Rohan hat nichts getan, was Roelstra nicht auch hätte tun können, wenn er gewollt hätte. Aber weil Rohan mit Hilfe des Gesetzes so viel tut, was sich auf das tägliche Leben der Menschen auswirkt, sieht es so aus, als wäre seine Macht größer.«
»Sie ist größer. Er benutzt sie.«
»Genau das tut er nicht.«
»Dann soll er das beweisen. Lass ihn dieses so genannte Recht, das er über die Lichtläufer hat, nicht benutzen, und überlass die Verurteilung mir, wohin sie gehört.«
Ihr Geduldsfaden riss. »Wo du allerdings gern alle Macht sehen würdest, ist es nicht so, Andry? Wie kannst du es wagen, von Traditionen zu sprechen, wo du sie doch mit einem Gedanken beiseitegefegt hast! Wie kannst du es wagen, Rohan vorzuwerfen, er greife ständig nach Macht, wo doch du es bist, der beide Hände danach ausstreckt! Glaube nur nicht, ich wüsste nicht ganz genau, was du vorhast! Warum du die Macht der Göttin so betonst und die Faradhi -Traditionen verändert hast! Du bist es, der eifersüchtig auf Macht ist, Andry. Vor allem auf die, die einmal Pol zufallen wird, wenn er Hoheprinz ist.«
Er wurde weiß und erstarrte zu Stein und atmete nicht einmal mehr. Dann zerschmetterte er mit einer einzigen, heftigen Handbewegung die Vasen auf dem Fliesenboden.
Sie hörte das wütende Klappern seiner Stiefelabsätze, als er aus der Großen Halle stolzierte. Sie konnte ihm nicht hinterhersehen. Stumm und zögernd kamen die Diener herein, um die Glas- und Tonscherben aufzuräumen. Sioned starrte auf ihre Hände hinab. Von allen Ringen, die zu tragen sie berechtigt war, leuchtete dort nur der Smaragd ihres Gemahls.
»Nun, Liebster«, flüsterte sie, »das hab ich toll hingekriegt, was?«
Sie wischte ihre Hände an einem Tuch ab und entschied, dass es besser war, wenn sie nach oben ging und Rohan warnte, dass Andry durch ihre Schuld nur noch einen Schritt davon entfernt war, ihr offener Feind zu werden.
Auch Rohan und Pol sprachen gerade über die Verzweigungen von Macht. Oder besser: Rohan sprach, und Pol hörte zu. Nachdem die Ereignisse in Rivenrock und das Ergebnis der morgendlichen Audienz kurz erzählt worden waren, saßen sie allein im Sommersalon.
»Niemand wird damit glücklich«, seufzte Rohan. »Das ist meistens so, wenn ich meine Autorität als Hoheprinz einsetze.«
»Aber du hättest nichts anderes tun können.«
»Nein. Aber das wird niemand sehen. Aber
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