Sternenlaeufer
es gibt Grenzen.«
»Und kluge dazu. Ich muss gestehen, dass ich Andrys Bewunderung für diese Lady Merisel teile. Sie scheint eine bemerkenswerte Frau gewesen zu sein.« Er lachte. »Ich mag diesen Typ. Ich würde sogar wetten, dass sie rote Haare hatte.«
Sioned hielt sich in der Großen Halle auf und starrte staunend auf die Blumen, die Rialt mitgebracht hatte, um die Tafeln zum Abendessen zu schmücken. Auf einmal stürmte Andry durch die offenen Türen herein. Sie beobachtete, wie er den Mittelgang heraufmarschierte, und rang innerlich mit sich selbst. Dann entschied sie, dass sein Zorn kein gaffendes Publikum verdiente, und machte den Dienern ein Zeichen. Die ließen die Dutzende von Vasen stehen, zogen sich hastig zurück und schlossen hinter sich die Doppeltüren.
»Ist es wahr?«, wollte Andry wissen.
Sioned begegnete dem Blick seiner blitzenden, blauen Augen einen Moment, nahm dann ein kleines, scharfes Messer und fing an, Stiele zu kürzen. »Ja.«
»Er hat kein Recht, überhaupt keins! Es ist meine Sache, einen Lichtläufer zu verurteilen.«
»Ich vermute, Oclel hat dir Rohans Gründe genannt. Es ist alles vollkommen legal.«
»Das macht es nicht richtig!«
Sie goss Wasser in eine Vase und wählte Blumen dafür aus. »Dann reiche eine Petition zur Gesetzesänderung ein. Für den Augenblick gilt es.«
Andry holte tief Atem. Offensichtlich wollte er sich beruhigen. »Sioned, du bist Lichtläuferin. Selbst wenn du die Ringe nicht trägst, selbst wenn du schon so lange Höchste Prinzessin bist, so ist in dir doch gewiss noch Loyalität für die Traditionen der Schule der Göttin übrig. Möchtest du, dass diese Rechte und Privilegien deiner eigenen Macht zuliebe zerstört werden? Das ist deiner nicht würdig.«
Sioned ließ sich nicht ködern. »Genauso wenig ist es deiner Unterstellung würdig, dass ich die Macht höher halte als das, was richtig und gerecht ist. Ich vergebe dir das, weil ich weiß, dass du wütend bist. Aber wenn du darüber nachdenkst, wirst du einsehen, dass es das Einzige war, was Rohan tun konnte.«
»Was er hätte tun sollen, ist, Cabar zu zwingen, dass er mir Gevlia übergibt! Ich hätte sie nicht für unschuldig erklärt – hattet ihr etwa davor alle Angst? Ich bestreite nicht, dass sie schuldig ist, den Tod von Meister Thacri herbeigeführt zu haben. Aber Lichtläufer werden vom Herrn der Schule der Göttin bestraft. Nicht vom Hoheprinzen!«
Nachdem sie eine Vase gefüllt hatte, fing sie an, Blumen für eine andere zu stutzen. »Ich glaube, du bist dir der Situation nicht ganz bewusst, in die du und Cabar ihn gebracht habt.«
»Ach, hör auf, Sioned. Du beklagst dich doch wohl nicht, dass ihr eine weitere Chance bekommen habt, eure Macht zu zeigen, du und Rohan!«
Sie knallte das Messer so heftig auf den Tisch, dass die leeren Vasen klapperten. »Du magst ja der Herr der Schule der Göttin sein, aber das hat dich nicht gelehrt, was Macht wirklich bedeutet!«
»Herr der Schule der Göttin, auserwählt von Lady Andrade, die uns alle die Macht gelehrt hat!«, fuhr er sie an.
Sioned zwang Ruhe in ihre Stimme und erinnerte sich daran, dass er ein stolzer und potenziell gefährlicher Mann war. Und noch so jung, erst neunundzwanzig. »Andry, ich war schon Lichtläuferin, lange ehe ich Prinzessin wurde. Hast du eigentlich vergessen, dass ich deine Eltern gebeten habe, deine Ausbildung als Knappe zu beenden, damit du dein erwähltes Leben als Lichtläufer beginnen konntest?«
»Und das tut dir jetzt wohl leid?«, fragte er verbittert.
»Sei kein Narr. Ich bin nicht immer deiner Meinung. Ich war nicht immer einer Meinung mit Andrade. Wir haben alle unsere eigenen Aufgaben, Pflichten, Verantwortungen …«
»Und Rohan hat mir meine genommen!«
»Ihr habt ihm keine andere Wahl gelassen! Siehst du das denn nicht? Es kann nicht ein Recht für Lichtläufer und ein anderes für alle anderen geben! Die Nachlässigkeit dieser Frau hat den Tod eines Mannes herbeigeführt. Du selbst hast ihre Schuld zugegeben. Du und Cabar, ihr seid beide zu Rohan gekommen und wart bereit, euch seiner Entscheidung zu beugen …«
»Und er hat die falsche getroffen!«
Sioned knirschte mit den Zähnen. »Was glaubst du denn, was Cabar getan hätte, wenn Rohan sie dir übergeben hätte? Was würdest du tun, wenn Cabar erlaubt worden wäre, über ihre Bestrafung zu entscheiden? Benutze deinen Verstand, Andry! Rohans Gesetze bieten die einzig sichere Gerechtigkeit. Das ist seine Pflicht als
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