Sternenlaeufer
ihre Geister ihn wohl auf der leichten Brise umgaben und ob sie zusahen, wie er sich seiner eigenen Schlacht um ihre Wüste näherte.
Ruval machte ein paar weitere Schritte auf ihn zu und blieb dann stehen. Er trug einen fließenden, rostbraunen Mantel, der von einem Gürtel aus schweren Goldringen locker um seine Hüften gehalten wurde. Seine blauen Augen hatten das Schwarz seiner hochgeschlossenen Tunika angenommen. Pol musterte ihn stumm. Er suchte nicht nach Kraft oder Schnelligkeit oder Geschicklichkeit des Körpers, sondern nach den Eigenschaften von Geist und Macht. Aber diese Dinge waren vergessen, als Ruval seine beiden gebräunten, langfingrigen Hände hob.
Er trug Lichtläuferringe. Zehn davon, und alle mit Edelsteinen besetzt.
Die blauschwarzen Augen lachten, als Pol vor Wut erstarrte, und der ironische Funke in ihnen sagte: Und wer will mir die Anerkennung versagen, Prinzchen?
Nur für einen kurzen Augenblick aufgetaucht und so schnell wieder vergangen, dass Pol kaum wusste, dass es geschehen war, war es nicht Ruval gewesen, den er dort vor sich gesehen hatte. Es war Andry.
Das kurze Zucken eines Fingers, und dann schossen Flammen aus einem Hügel links von Pol und erhellten den Raum zwischen ihnen. Er blickte in die Augen seines Halbbruders, suchte in seinem Gesicht nach einem Hauch von Ähnlichkeit zwischen ihnen und dankte der Göttin, dass das Blut seines Vaters so stark in ihm war, dass es überhaupt keine Ähnlichkeit gab. Er verspürte nicht den Ruf des Blutes, kein Hervordrängen des gemeinsamen Ursprungs. Er überlegte kurz, ob Ähnlichkeiten mit seinem eigenen Gesicht es härter gemacht hätten.
Als Antwort beschwor er ein Feuer auf einem großen Stein zu seiner Rechten. Das Gebiet war jetzt gut erhellt. Licht sickerte zwischen die Steine am Eingang des Tals. Wie viele Tage waren vergangen, seit er mit seinem ausgeklügelten Plan für Meiglan hierhergeritten war? Er fühlte sich jetzt einhundert Jahre älter. Das Wissen hatte ihn verändert.
Und auch Mireva. Er scheute vor dieser Erinnerung zurück, und sein Bedürfnis nach einem reinigenden Bild ließ seine Gedanken zu Meiglan wandern. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass auch sie ihn mit ihrem Vertrauen und Glauben verändert hatte. Sie verlangte nichts und erbat nichts, denn in ihren Augen war er bereits vollkommen. Er würde sie schützen und hegen können. Für sie war er alles, was er immer hatte sein wollen: ein wahrer Prinz und Lichtläufer, mächtig, stark und weise. Wenn er sich früher eine Frau angesehen und überlegt hatte, wie es wohl sein mochte, sie zur Gemahlin zu haben, dann hatte er über diese Frage immer nur von seinem Standpunkt aus nachgedacht. Seine Gemahlin, seine Wahl, seine Ehe – als wäre nur er betroffen. Bei Meiglan konnte er es nur so erklären, dass er, wenn er sie anschaute, ihr Gemahl sein wollte.
Darin lag unerwartete und willkommene Gelassenheit und eine Sicherheit des Herzens, die seinem Glauben an seine Kraft entsprach. Keine Arroganz, keine Siegesgewissheit, sondern einfach das Bewusstsein, dass er die Kraft hatte zu tun, was immer getan werden musste. So sah er Ruval mit vollständiger Gelassenheit abwartend entgegen.
»Schlau wäre es, wenn du mich auf der Stelle umbringen würdest«, meinte Ruval. »Oder es einen von denen tun lassen würdest.« Er deutete auf ihr Publikum, das neben den Pferden stand und einen groben Halbkreis bildete.
Pol nickte zustimmend.
»Aber du bist nicht schlau, Pol. Du bist ehrenhaft.« Aus Ruvals Mund klang das Wort wie Hohn.
»Ich möchte niemanden enttäuschen.« Pol zögerte leicht. »Du sagst, Roelstra war dein Großvater, Ianthe deine Mutter. Welchen Beweis kannst du bieten?«
Ruvals Gesicht verriet Überraschung. Zu diesem späten Zeitpunkt hatte er keine Herausforderung dieser Art erwartet. Er zog eine kleine Goldmünze aus seiner Tasche und warf sie Pol zu. »Du wirst das Gesicht meines Großvaters erkennen.«
Während er die Münze zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, fragte Pol in ehrlicher Verblüffung: »Erwartest du ernsthaft von mir, dass ich Profile vergleiche?«
Die Münze sandte winzige, kalte Flammen aus. In ihnen sah Pol einen Raum, der mit Gold angefüllt war und von einer einzigen Fackel erhellt wurde. Sie wurde von einer sehr schönen, hochschwangeren Frau gehalten. Sein Herz setzte aus und raste dann: Ianthe.
»Ein kleiner Trick«, meinte Ruval beiläufig, als die Flammen verloschen. »Aber ich bin sicher, du weißt, dass
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