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Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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Tür. Das würde Andry nicht lange aufhalten, aber es war besser als nichts.
    Sie wand das Haar im Nacken zu einem Knoten, bürstete ihre Kleider ab und ging den Gang entlang, als gehörte sie hierher. Sie begegnete niemandem, bis ein Lakai vorbeiging. Er war beladen mit Fironeser Kristall auf einem silbernen Tablett. Für Pols Siegesbankett, dachte Mireva wütend. Absichtlich stieß sie gegen die Schulter des Mannes. Er fluchte und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Ihre Hände waren noch immer ungeschickt, aber es gelang ihr, einen der schlankstieligen Kelche zu ergreifen. Das Kristall zerbrach an der Wand, und als der Lakai sich katzengleich aufrichtete, ohne seine Last fallen zu lassen, schlitzte Mireva ihm die Kehle auf.
    Der folgende Krach würde sicher Menschen herbeistürzen lassen. Sie musste sich beeilen. Sie hastete den Hauptflur entlang, kletterte die Dienstbotentreppe hinauf, so schnell sie konnte, und traf dabei eine Magd mit einem Arm voll Laken. Im Laufen versuchte sie, den Draht von ihrem Ohr zu lösen, gab es aber auf, weil er zu fest gewunden war, und machte sich an dem Stahl zu schaffen, der ihre Handgelenke umgab. Als sie Rualas Zimmer erreichte, war der Erste der blutigen Drähte bereits zu Boden gefallen.
    Es gab keine Wachen, nicht einmal eine Magd saß in der schattigen Schlafkammer. Ruala schlief. Als Mireva die Vorhänge öffnete, war der Schmerz, den das Kratzen von Stahlringen auf Stangen hervorruft, vergessen. Sie sah die neuen Sterne. Verzweifelt durchwühlte sie Rualas Ankleidetisch. Endlich hatte sie die Schere gefunden und schnitt das andere Stahlband von ihrem Handgelenk. Schnell! Sie musste schnell handeln. Sie konnte Rualas Kräfte für sich nutzen, wenn sie erst einmal den Stahl abgelegt hatte, und konnte arbeiten. Sie versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken und beugte sich nieder, um einen besseren Blick in den Spiegel zu haben, während sie an dem Draht an ihrem Ohrläppchen hantierte.
    »Leg das hin.«
    Sie wirbelte herum und sah überrascht Ruala neben ihrem Bett stehen. Die junge Frau war bereit, sie mit dem eleganten, juwelenbesetzten Messer zu töten, das sie in der Faust hielt. Sie hielt die Klinge, als wollte sie sie werfen, aber sie wusste wahrscheinlich nicht einmal, wie sie es machen musste. Also würde sie näher kommen müssen, so nah, dass Mireva sie mit ein wenig Glück entwaffnen konnte. Solange der Draht noch an ihrem Ohr befestigt war, konnte sie nicht so einfach auf Zauberei zurückgreifen, und sie war mehr als doppelt so alt wie Ruala.
    »Warum wacht dein liebender Lord nicht über seinen kostbaren Schatz?«, erkundigte sich Mireva in süßem Ton.
    »Leg die Schere hin«, sagte Ruala noch einmal genauso ruhig wie zuvor.
    Langes, schwarzes Haar wirbelte um perfekte Schultern; die dunkelgrünen Augen erinnerten bei manchem Licht an Mirevas eigene. Die alte Frau sah sich selbst, wie sie vor über vierzig Jahren gewesen war: jung, schön, mit der Verheißung von Macht in den Augen. »Wir sind gleich, du und ich«, murmelte sie.
    »Wir sind uns nicht ähnlicher als Feuer und Wasser. Und jetzt leg sie hin.«
    Mireva legte die Schere auf den Ankleidetisch hinter sich. »Ich erkenne Macht, wenn sie in meine Nähe kommt. Du bist Diarmadhi, genau wie ich.« Sie konnte fast fühlen, wie Andry an die Tür da unten hämmerte. Zeit, Zeit, Zeit. »Glaubst du, Andry wird dich am Leben lassen, nachdem er jetzt weiß, was du bist? Oder nimmst du an, dass dein tapferer Lord dich beschützen wird? Wie kann er das, wenn Andry auch hinter seinem Blut her sein wird?«
    Ruala lächelte. »Du erkennst Macht, ja? Wir werden sehen.« Langsam ging sie auf die Tür zu, ohne den Blick von Mireva zu wenden. Aber als sie die Hand nach dem Knauf ausstreckte, machte Mireva einen letzten Versuch und übertraf sich selbst. Was Ruala berührte, war ein schleimiges, stinkendes Ding, ein sich windendes Stück Fleisch, das Säure verströmte. Sie schrie und riss die Finger zurück.
    Mireva konnte kaum sehen. Der Schmerz war unerträglich, als er sich in ihren Gliedern ausbreitete. Er ging von einem Gehirn aus, das in Flammen zu stehen schien. Aber es war die Qual wert. Ruala, verblüfft und erschreckt in diesem kurzen Augenblick der Zauberei, war verletzlich. Mireva warf sich blindlings vorwärts. Sie stürzten in enger Umarmung wie Liebende zusammen zu Boden. Mireva hörte ganz schwach, wie das Messer klappernd aus Rualas Hand fiel.
    Sie kämpfte sich auf Ruala. Laut stöhnte sie, als sich

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