Sternenlaeufer
Finger so tief in ihre wunden Handgelenke bohrten. Ruala war nicht dumm; sie hatte sich schnell von ihrem Schock erholt, und sie wusste genau, wo sie Mireva am meisten verletzen konnte. Mireva warf sie herum und hoffte, sich auf ihre vom Schmerz vernebelten Augen verlassen zu können. Als der Kopf des Mädchens an den festen hölzernen Bettrahmen schlug, wusste sie, dass es so war. Ruala wurde ohnmächtig.
Nach Atem ringend kam Mireva auf die Füße und griff wieder nach der Schere. Ihre Hände zitterten so heftig, dass sie ihren Hals blutig ritzte. Dennoch fiel der Draht auf den Ankleidetisch. Sie war frei.
Die Sterne lockten. Schnell verwirkte sie ihr Licht. Sie sehnte sich nach Dranath, als sie sich auf den silbrigen Strahlen nach Rivenrock begab.
Es war so, wie sie befürchtet hatte. Pol und Ruval kämpften bereits. Luft und Feuer wirbelten um sie her, entsetzliche Visionen wurden heraufbeschworen, dann die Gegenvisionen dazu, und alles vermischte sich in einem Mahlstrom der Macht. Die unbegabten Zuschauer trugen Masken des Entsetzens angesichts dessen, was sie sahen. Diejenigen, die für die Künste empfänglich waren – Sioned und Morwenna, Tobin, Maarken und Hollis – lagen auf den Knien im Sand, und ihre Gesichter waren schmerzverzerrt. Es war kein Perath gewirkt worden, um sie zu schützen. Das passte Mireva gut. Sie konnte ungehindert in den Kampf eingreifen, und die Lichtläufer würden den tödlichen Schlag fühlen, als wäre er gegen sie gerichtet.
Pol wich vor Ruvals Bild zurück – einem tosenden Wirbelwind, der Klauen ausstreckte, aus denen Blitze schossen. Mireva lachte zufrieden: Das Prinzchen schien erschreckt. Wie es schien, hielt sich Ruval auch ohne sie sehr gut. Trotzdem war sie auf der Hut, während sie auf Pols Erwiderung wartete, denn alles, was sie von ihm wusste, warnte sie vor seiner Klugheit.
Mit der rechten Hand griff er in seine Hosentasche und zog sie zur Faust geballt um ein kleines Ding wieder heraus. Das warf er in die Luft, so, wie man einen Jagdfalken emporschleudern würde, und aus einem winzigen, strahlenden Funkeln wuchsen tatsächlich Schwingen. Wirbelnd im Lichtläuferfeuer wurde aus dem Ding ein riesiger, goldener Drache, so groß wie die Canyonmauern, mit flammenden Schwingen und weißglühenden Augen, wie von Sternen erfüllt.
Mireva stieß keuchend einen Fluch aus und machte sich hastig an ihr eigenes Werk. Denn der Trick dieser Illusion bestand darin, dass ein Teil davon keine Illusion war. Feuer verbarg das Werk, bis es in allen schrecklichen Einzelheiten fertig war, sodass die Bestandteile, die real waren, nicht erraten werden konnten. Jeder Teil des beschworenen Drachen konnte aus dem kleinen, glitzernden Ding sein, das Pol in die Luft geschleudert hatte. Sie hatte Ruval diese Technik gelehrt und hatte ihm gezeigt, wie sich aus Stein, den man aus dem Sand gesammelt hatte, Krallen und Zähne bilden konnten, wie echtes Feuer aus mächtigen Kiefern schießen konnte. Wenn Ruval das Echte nicht von der Täuschung unterscheiden konnte, dann würde ihn das sein Leben kosten.
Es war fast so schmerzlich, ohne Dranath zu arbeiten, wie es mit dem Eisen gewesen war, das ihr Blut vergiftete. Sie brauchte die Droge. Sie konnte den Mangel daran schrill kreischend in ihrem Blut fühlen, als sie ihre Waffen bereit machte. Aber sie tat es: Pols Drache wurde zu Glas. Er knackte und splitterte in den Sand, und als er das tat, wurde der reale Teil von ihm zerstört, der peitschende Schwanz, der die kleine, goldene Schnitzerei verbarg.
Pol wich verblüfft zurück, als sein Meisterwerk verschwand. Wirkliche Furcht blitzte in seinen Augen auf. Mireva rang keuchend um Atem und schrie Ruval stumm zu, er solle sich mit seiner Gegenillusion beeilen. Sie konnte das nicht lange durchhalten, nicht ohne die Droge in den Adern.
Dann wirbelte sie herum und starrte auf Ruala. Die junge Frau war noch immer bewusstlos, aber ihre Kraft war zugänglich. Ohne Dranath würde es schwierig sein, aber wenn sie es nicht versuchte, würde Ruval vielleicht schon tot sein, ehe der nächste Stern aufging. Sie durchbrach die Lichtfäden und stöhnte vor Anstrengung, als sie Ruala zu den Fenstern hinüberschleppte. Der Zauber war schon unter sehr guten Umständen schwer und anstrengend; Mireva hatte das Gefühl, ihr Kopf würde vor Mühe bersten. Aber sie schob und zerrte, tastete nach dem verborgenen Kern und fand ihn.
Hastig wirkte sie das Sternenlicht neu. Jetzt war es einfacher, denn sie wurde von
Weitere Kostenlose Bücher