Sternenlaeufer
Tier mit einem Klaps in die Ställe zurückgeschickt hatte – schließlich wollte er nicht, dass eines seiner preisgekrönten Tiere zu Drachenfutter wurde.
»Fang schon an zu zählen!«, schrie Sionell. »Meine Mutter bringt uns um, wenn wir das nicht tun!«
»Fünf rostrote Jungdrachen, sieben grün-bronzene, zehn schwarze – Ell, sieh dir die nur an! Die sind sich so ähnlich, als wären sie demselben Ei entsprungen!«
»Vier graue, noch drei schwarze – ich kann den graublauen Alten nicht sehen, der in Skybowl war. Er muss beim Paarungskampf umgekommen sein – aber da ist der schwarze. Wie schlimm der aussieht! Wie kann er mit diesem Riss an der Schwinge nur fliegen?«
»Wo ist Elisel? Kannst du sie sehen?«
Sie suchten den See und den Himmel ab, konnten aber keine Spur von Sioneds rostrotem Drachen entdecken.
»Sie muss hier sein«, grübelte Sionell.
»Vielleicht ist sie nach Skybowl geflogen«, versuchte Pol sie zu trösten, aber auch sein Gesicht verriet Sorge.
Sioned kam jetzt auch angerannt. Stumm überflog sie mit leerem Blick das Ufer und biss sich auf die Lippen. Schließlich flüsterte sie: »Sie ist nicht da.«
Wenn Elisel etwas zugestoßen war – dem einzigen Drachen, zu dem einer der Lichtläufer hatte sprechen können … Elisel war vielleicht eines der Weibchen, die in jedem Paarungsjahr starben. Es gab nicht genügend Höhlen für alle Drachenweibchen; wenn sie sich nicht paaren und ihre Eier legen konnten, dann starben sie.
Sionell blickte zu Pol empor und sah in seinem Blick dieselbe Sorge. »Wir müssen sie nach Rivenrock zurücklocken«, murmelte er. »Wir müssen ihnen erklären, dass es dort sicher ist.«
»Wie?«, wollte sie tonlos wissen. »Wenn wir Elisel verloren haben, dann …« Sie brach ab, als ihr einfiel, dass Sioned in der Nähe war.
»Vielleicht haben Maarken und Hollis nur die falschen Drachen für ihre Berührung gewählt«, grübelte er.
»Nach dem Versuch waren sie aber einen ganzen Nachmittag lang ohne Bewusstsein«, erinnerte sie ihn. Er verzog den Mund und kaute auf der Unterlippe, während sich seine Augen verengten und er den Blick auf einen einzelnen Drachen heftete. Sie wusste so sicher, was er tun würde, als hätten sie es gleichzeitig gedacht – und versuchte mit keinem Wort, ihn aufzuhalten.
Inzwischen waren auch die anderen am See eingetroffen. Sie waren damit beschäftigt, die Tiere zu zählen, oder rätselten über Elisels Fehlen, oder sie starrten sie einfach nur ehrfürchtig an. Nur Sionell sah, wie Pol tief Luft holte, den Blick auf einen großen, blaugrauen Dreijährigen mit silbernen Unterflügeln richtete und die Augen schloss.
Der junge Drache hatte die Schwingen ausgebreitet, um sie nach dem Schwimmen zu trocknen. Für sein Alter war er groß. Als ausgewachsenes Tier würde er eine beachtliche Größe erreichen. Sein Kopf mit der langen Schnauze und den riesigen Augen wandte sich Pol zu, dann von ihm weg und schließlich schüttelte er ihn, als hätten ihn Insekten belästigt. Als er zur Seite rutschte, stieß er mit einem anderen Jungdrachen zusammen, der ihn anfauchte.
Sionell hielt den Atem an. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, dass Pol Erfolg hätte. Wie hätte es auch anders sein können? Nie war ihm irgendetwas versagt worden; die Welt und alle ihre Drachen gehörten von Rechts wegen ihm.
Aber nicht heute.
Der Drache kreischte und warf den Kopf hoch. Pol schrie auf und stöhnte entsetzlich, so dass sein ganzer Körper zitterte. Sionell warf die Arme um ihn und rief seinen Namen.
»Pol! Du Idiot!« Rohan riss seinen Sohn aus ihren Armen und ließ ihn ins Gras sinken. Seine Augen waren geöffnet, und er murmelte etwas Unzusammenhängendes. Die Muskeln seiner Arme und Beine zitterten. Sionell kniete neben Pol nieder und bettete seinen Kopf in ihren Schoß. Rohan nahm das Gesicht seines Sohnes zwischen seine Hände und rief seinen Namen.
Der Drache heulte erneut auf, breitete die Schwingen aus und umkreiste den See in panikartigen Bewegungen. Ganz plötzlich weiteten sich Pols Augen voller Überraschung. Er seufzte tief und sank ohnmächtig zusammen.
»Idiot«, wiederholte Rohan, aber diesmal erleichtert. »Maarken, Tallain, bringt ihn von hier fort und zu Bett.«
Der junge Herr von Tiglath half Sionell sanft auf die Füße. »Es wird ihm bald wieder gut gehen, Herrin. Erlaubt, dass wir uns um ihn kümmern.«
Sie nickte benommen und war für seinen kräftigen, stützenden Arm dankbar, als er sie Arlis übergab. Pol wurde
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