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Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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sie.
    Mireva wiegte sich vor und zurück und legte ihre Arme über ihre Brüste. Der Spiegel lag in stummer Ohnmacht am Boden. Seine merkwürdige, staubige, goldene Oberfläche sah aus wie ein stürmischer Himmel bei Sonnenuntergang. Der Silberrahmen war alt und angelaufen, die Drähte waren an manchen Stellen gebrochen und an anderen fehlten sie überhaupt. Aber sie erkannte ihn als das, was er war – und sie dankte Ruval, der das Kunstwerk gesehen und erkannt hatte.
    Ihre alten, knochigen Finger liebkosten die schimmernde Fläche wie eine Jungfrau die Wange ihres Liebsten. Mit dem kleinen Handspiegel, den sie Chiana hatte schenken wollen, wäre ihr Plan riskant gewesen. Dies hier versprach Gewissheit.
    Sie brauchte einige Zeit, um die rechten Worte zu finden – anfangs schätzte sie das Alter des Spiegels falsch ein und musste ihren Akzent und den Rhythmus ihrer Worte noch ändern, um ihn zu erwecken. Als er aber schließlich in der Dunkelheit der Kammer zu leuchten anfing, da geschah dies mit einem festen und beständigen Glanz.
    Marron öffnete alle Fenster für den Abendregen. Die Hitze war schließlich von eisiger Luft vertrieben worden, die seinem Gefühl nach mit frühem Schnee von Firon gekommen war. Die Bäume draußen bogen sich im Wind, und er nickte zufrieden. Es war draußen wirklich kalt genug, um den schweren Umhang mit Kapuze zu rechtfertigen, den er trug, um sein verräterisches Haar zu verbergen.
    Als er die Treppe hinabstieg, hörte er den schwachen Klang von Lauten und Trommeln aus der Halle, wo Chiana von sich das Bild einer »Grande Dame« entstehen ließ. Mehrmals in jeder Saison lud sie einflussreiche Händler und ihre Gemahlinnen ein, den Abend in ihrer Gesellschaft zu verbringen. Sie ging nicht so weit, ihnen etwa ein Abendessen zu kredenzen; Brot brach sie nur mit Personen vom Range eines Athr’im aufwärts. Aber eine Einladung in die Burg bedeutete eine gesellschaftliche Auszeichnung, die man nicht ablehnte, ganz gleich, wie sehr Chiana auch verachtet wurde.
    Auf seinem Weg nach draußen traf Marron in einem der hinteren Gänge den Haushofmeister. Der alte Mann diente im Schloss seit Cluthas Zeiten, betrank sich fast jede Nacht und jammerte jedem, der davon hören wollte, von den guten alten Zeiten vor. Marron fühlte sich von einer seiner klauenartigen Hände gepackt. Es war ihm unmöglich zu entkommen, ohne grob zu werden. Die Rolle des bescheidenen Dieners fiel einem Mann, der von einem Hoheprinzen und Diarmadh’im abstammte, nicht leicht, aber Marron hatte kaum eine Wahl. Schließlich schob er eine dringende Verabredung mit einer jungen Dame vor, die nicht gerne wartete, und stahl sich davon, während der Haushofmeister von seinen eigenen alten Lieben träumte.
    Swalekeep war von gewundenen Gassen und kleinen, öffentlichen Parks durchzogen, Inseln aus Büschen und Bäumen und Blumen. Die größten davon hatte Chiana zu einer ihrer sonderbarsten Ideen zusammengefasst: zu einem Tierpark. Darin lebten Hirsche und Elche und ein Adler, dessen Flugfedern regelmäßig gestutzt wurden, damit er nicht davonfliegen konnte. In großen Käfigen hausten ein Wolfspaar, das in den fünf Jahren seiner Gefangenschaft nur tote Junge produziert hatte, und eine weibliche Bergkatze, der man die Krallen ausgerissen hatte. Chiana hatte eine beträchtliche Belohnung für denjenigen ausgesetzt, dem es gelang, ihr einen Partner für die Katze zu bringen; und es hieß, sie würde ein halbes Jahreseinkommen von Meadowlord für einen Drachen zahlen, aber bisher hatte niemand sie beim Wort genommen.
    Marron blieb vor diesem traurigen kleinen Fleck stehen und schaute den Wölfen zu, die hinter den Gitterstäben ruhelos auf und ab liefen. Starkes Mitgefühl für die Tiere, die gleichfalls Gefangene waren, stieg in ihm auf. Aber er konnte sich jetzt kein Gefühl leisten, das ihn schwächte. Er würde zum ersten Mal seit zwei Wintern Mireva treffen.
    Unter dem Umhang rieb er seine kalten Hände und eilte zu dem Garten gegenüber vom »Pearlfisher«, trat ein und zog das Tor hinter sich zu. Als er plötzlich eine Hand auf seinem Arm spürte, erschrak er und stieß einen Fluch aus.
    »Deine Sinne sind wirklich eingeschläfert worden«, murmelte sie. »Aber sie sind für eine gute Sache verloren gegangen.«
    Für Ruvals Sache, wollte er sagen, riss sich aber zusammen. Es war noch Zeit genug, sich um seinen Bruder zu kümmern und dafür zu sorgen, dass es nur noch einen Sohn von Ianthe gab, mit dem Mireva arbeiten

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