Sternenlaeufer
von seinem Körperbau eindrucksvoller. Es war nicht zu übersehen, dass sie Brüder waren, vor allem wenn sie lächelten – verschlagen, ironisch, listig.
Marron nickte freundlich, als er sich näherte, ebenso wie er es bei zwei, drei anderen Personen gemacht hatte, an denen er vorübergegangen war. Als er vor ihnen stand, flüsterte er: »Im ›Crown and Castle‹.« Und ging weiter.
Mireva war zornig, verstand aber sein Bedürfnis, vorsichtig zu sein. Wären mehr Menschen unterwegs gewesen, hätten sie sich unbesorgt direkt vor Chianas Flügel treffen können. Die stickige Hitze hielt jedoch die meisten Bewohner von Swalekeep in den Häusern fest. Deshalb mussten sie sich einen ähnlichen Treffpunkt suchen.
Das Gasthaus befand sich am Ende einer Straße, die an der Stadtmauer endete. Hier war eine der Stellen, wo der Granit aus sehr praktischen Gründen herausgebrochen worden war: Der Spalt war so verbreitert worden, dass man hindurchreiten konnte, ohne sich bücken zu müssen. Nicht dass Ruval das versuchen wollte – die oberen Steine wirkten nicht besonders standfest ohne ihre Träger.
Eine Seite des »Crown and Castle« grenzte an einen Eisenwarenhändler. Die andere wurde durch die Stadtmauer von Swalekeep gebildet. Über dem Feuer hing ein Kessel, aus dem sich die Gäste selbst mit Eintopf bedienen konnten. Ein kleinerer Topf enthielt Wein, auch hier musste man sich selbst bedienen. Ruval zeigte einem Mädchen, das in der Nähe des Herdes saß, eine Goldmünze und bestellte gekühlten Wein. Es hörte gerade lange genug damit auf, die fette, rote Katze in ihrem Schoß zu streicheln, um auf einen Tisch in der Nähe zu deuten – und ihm die Münze aus den Fingern zu nehmen.
Mireva gesellte sich in der Ecke zu ihm, und sie tranken den Wein ganz langsam und versuchten, das unaufhörliche Gehämmer des Schmiedes nebenan zu überhören. Wie man bei diesem Wetter die Energie aufbringen konnte zu arbeiten – noch dazu über einem Ofen –, entzog sich ihrer Vorstellungskraft. Schließlich erhob sich Ruval, wenn auch nicht sonderlich erfrischt, streckte sich und trat durch die Hintertür, als wolle er sich erleichtern. Marron wartete dort auf ihn, kochend vor Zorn.
»Du hast gewusst, wo ich sein würde! Warum hast du mich warten lassen?«
»Weil ich Durst hatte. Und weil es mir Spaß gemacht hat.« Er musterte seinen Bruder abschätzend. »Du hast in den letzten Wintern gut gegessen.«
»Und du siehst immer noch aus wie ein halb verhungerter Wolf, der nicht allein jagen kann«, gab Marron zurück.
»Warum sollte ich, wo ich doch einen kleinen Bruder habe, der das Jagen für mich übernimmt?« Ruval grinste und ging zu dem Wassertrog und setzte sich dort lässig auf den Rand. »Nun? Was gibt es Neues von unserer geliebten Tante Chiana?«
»Sprich leise!«, zischte Marron.
»Ist dein Verstand schon genauso weich geworden wie dein Bauch? Es ist niemand in Hörweite außer diesen Katzen.« Er deutete auf eine graugetigerte Katze und ihre Jungen. »Und ich bezweifle, dass die das interessiert.«
Marron seufzte und schüttelte den Kopf. »Ich hasse es, so eingesperrt zu sein. Du hast keine Ahnung, wie das ist. Die Veresch-Wälder sind schließlich Mauern, durch die du hindurchgehen kannst.«
Ruval hatte ungewollt Mitleid.
Bis er in Swalekeep eingetroffen war, hatte er nicht daran gedacht, wie schwierig es sein musste, sich an ein Leben hinter Steinen zu gewöhnen. »Komm, setz dich, Bruder.«
Marron hockte sich auf das andere Ende des Troges. »Du kennst meine Stellung in Swalekeep. Es hat mich zwei Jahre gekostet, mich in das Vertrauen des Haushofmeisters einzuschleichen, und dabei musste ich sogar hier und dort ein wenig Macht spielen lassen. Chiana ist eine Ziege durch und durch – ohne Zweifel die Tochter unseres Großvaters! Sie will alles perfekt haben, und dann sucht sie nach einem Fehler und lässt es dich noch einmal machen.«
»Ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen.«
Marrons dunkle Augen weiteten sich. »Das kannst du nicht!«
»Nein!« Ruval lachte. »Weiter.«
Marron sah aus, als wollte er streiten, gab dann aber mit einem wütenden Blick nach. »Mireva hatte Recht, was Chianas Ehrgeiz angeht. Sie will, dass Rinhoel die Prinzenmark und Meadowlord bekommt, obwohl alle Schwestern für sich und ihre Erben darauf verzichtet haben.«
»Alle Schwestern, außer Mutter. Tot – auf Sioneds Befehl.« Ein Duft, das Rauschen von Seide, ein kehliges Lachen, eine wütend gerunzelte Stirn,
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