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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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akklimatisieren, sie selbst wohnen nämlich lieber in den Stationen …«
    Das Haus umgab ein kleiner Garten mit blühenden Bäumen, die auf den ersten Blick an Apfelbäume erinnerten. Aus dem Haus erklangen Stimmen.
    »Andrej Valentinowitsch ist mal wieder richtig in Fahrt«, sagte Mascha leise. »Du … geh nur rein! Soll er ruhig mal eine Überraschung erleben!«
    Sie nickte Kelos zu, der daraufhin gehorsam stehen blieb.
    Eine Überraschung … Ich hatte meine Überraschung eigentlich schon erlebt, als ich von den Geometern zurückgekehrt war.
    Du bist allerdings wirklich menschlicher geworden, Mascha! Als ob von der tatkräftigen, aber unangenehmen Frau, die ich vor zwei Wochen zum ersten Mal gesehen hatte – und mich weiß Gott nicht in sie verliebt –, die Hülle abgefallen wäre. Schicht für Schicht abgeblättert … die Kälte, die Unbarmherzigkeit, der Ernst … Wenn wir dich jetzt noch aus dem FSB rauskriegen … obwohl ja behauptet wird, die ließen niemals jemanden gehen …
    Sie brauchte einen netten Kerl. Keinen Ehemann, sondern einen richtigen Kerl. Damit sie lernt, sich an eine fremde Schulter zu lehnen, zu kokettieren, zu flirten, Teller zu zerschmeißen … und schließlich auch Seifenopern zu sehen.
    Langsam umrundete ich das Haus. Ich musste nirgendwo hinstürzen, ein paar Minuten würden weder über das Schicksal der Erde noch über das meines Großvaters entscheiden.
    »… im Unterbewusstsein?«, drang eine bekannte Stimme an mein Ohr. »Humbug! Und dabei geht es nicht darum, ob ein Mensch die Wahl seines Schicksals seinem Unterbewusstsein überlassen darf! Denn mit gewissen Einschränkungen wird er auch das kontrollieren können. Insofern werden die widerwärtigsten eurer Welten eingehen oder irgendwann isoliert dastehen. Nein, allein die Möglichkeit einer uneingeschränkten Wahl ist eine Falle!«
    Ich lehnte mich gegen die Hausmauer und schloss die Augen. Na siehst du, Großpapa, es ist alles in Ordnung. Du suchst noch immer nach deinen Idealen. Wir sind wieder zusammen. Daran hat uns kein Schatten hindern können.
    »Die Wahl wird ja auch nicht uneingeschränkt sein.« Eine harte, machtvolle Stimme, die allerdings ein wenig verlegen klang. »Andrej, Sie verwechseln abermals die Begriffe! Wir werden nicht alle P laneten des Schattens miteinander verbinden. Nur die, die …«
    »Ihr wollt wieder einen Filter einbauen? Ihr Optimisten! Dann werden eure Tunnel eingehen. Entweder bietet ihr einen vollständigen, adäquaten Ersatz für die Tore an, der bis hin zur Zahl der Zugänge auf jedem Planeten reicht, oder ihr könnt euch das Ganze sowieso abschminken.«
    Ich trat einen Schritt vor. Da sah ich den Reptiloiden. Der Zähler saß da, die lange Zunge hing ihm heraus, und er hörte aufmerksam zu. Irgendwann drehte er mir das dreieckige Gesicht zu.
    »Ich wünsche euch von ganzem Herzen Erfolg! Ich bezweifle nicht, dass es prinzipiell eine Alternative gibt … aber bisher … sehe ich keine! Tut mir leid, aber ich sehe sie einfach nicht!«
    Nein!
    Der Zähler schwieg doch!
    Das Maul des Reptiloiden verzog sich zu einem Lächeln.
    Ich stürzte vor.
    Ein Korbtisch, darauf eine glasklare Karaffe mit dunkelrotem Wein. Zwei Korbsessel. In einem saß, nach vorn gebeugt und die Hand in linkischer Weise fest um das leere Glas geschlossen, ein mir unbekannter, grauhaariger Mann. In dem anderen flegelte sich ein Mann, der vor der nächsten Tirade am Wein nippte und mir vage bekannt vorkam …
    Eine Szene aus einem Stummfilm.
    Mein ehemaliger Opa ließ das Glas fallen. Er sprang auf, ohne sich darum zu scheren, dass er sich Wein übers Hemd geschüttet hatte. Er lächelte so verlegen, als hätte ich ihn in seinem Zimmer erwischt, wie er eine Pfeife schmaucht und sich ein Gläschen Kognak gönnt.
    »Großvater …«, sagte ich mit hölzerner Stimme. »Wein ist doch schädlich für dich.«
    »Jetzt nicht mehr.«
    Vierzig Jahre war er jetzt, höchstens. Nicht einmal mein Vater könnte er noch sein, vom Großvater ganz zu schweigen. So kannte ich ihn bisher nur von jenen alten Photos, die er ungern hervorholte.
    »Petja …«
    Ich brachte es nicht über mich, ihn zu umarmen, denn es war fast, als stünde vor mir ein Fremder. Die vertrauten Züge waren völlig entstellt – wenn auch nur durch die Jugend. Wäre mein Großvater in meiner Kindheit so gewesen, wäre ich wahrscheinlich ganz anders aufgewachsen. Aber jetzt war es zu spät. Alles kommt immer zu spät.
    Mein Großvater machte ein paar Schritte auf

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